Andreas Urban
Realitätsverlust und suizidale Drift
Der Abstieg des Westens im Viruswahn und „Krieg gegen Putin“
Mit der sogenannten Corona-Krise und dem im Februar 2022 in eine neue Eskalationsstufe eingetretenen Ukraine-Krieg ist die finale Krise des warenproduzierenden Systems in ein neues, möglicherweise terminales Stadium übergegangen – dies nicht nur auf politisch-ökonomischer, sondern auch und gerade auf sozialpsychologischer Ebene, d.h. auf der Ebene der modernen Subjektform. Es gehört zu den Essentials der Wert- bzw. Wert-Abspaltungskritik, dass der Kapitalismus nicht bloß eine historisch-spezifische Produktionsweise darstellt, deren Logiken sich auf den abgegrenzten, gleichsam „entbetteten“ (Karl Polanyi) Bereich der „Ökonomie“ beschränken oder im Sinne eines traditionsmarxistischen Basis-Überbau-Modells als die primäre, alles determinierende Instanz zu betrachten wären, aus der sich alle anderen gesellschaftlichen Bereiche und Dimensionen ableiten, sondern eine umfassende, wenngleich dialektisch gebrochene und in sich widersprüchliche Gesellschafts- und Lebensweise, zu der eben auch spezifisch moderne Denk- sowie Subjektformen gehören. Die vor allem auf Robert Kurz zurückgehende bzw. maßgeblich durch ihn ausformulierte und entwickelte wertkritische Krisentheorie (vgl. Kurz 1986, 1991, 2005, 2009, 2012) widmet sich daher bereits seit langem auch den konkreten Erscheinungsformen und Symptomen jener finalen Krise auf der Ebene des modernen, bürgerlichen, strukturell männlichen Subjekts und den auf dieser Ebene zu beobachtenden Formen der Krisenverarbeitung. Sie attestiert dabei den postmodernen Krisensubjekten einen zutiefst narzisstischen Sozialcharakter mit einem ausgeprägten Hang zu irrationalen Reaktionen, die insbesondere in rassistischen, sexistischen und antisemitischen Ideologien, einer Neigung zu paranoiden Verschwörungstheorien bis hin zu hochgradig autodestruktiven, regressiven Verhaltensweisen Gestalt annehmen (vgl. Scholz 2008; Jappe 2017; Wissen 2017; Schlauch 2020). Mit der fundamentalen Krise des warenproduzierenden Systems und dessen Kategorien (Arbeit, Geld, Markt, Staat, Demokratie etc.) erodieren gewissermaßen alle gesellschaftlichen Grundlagen der bürgerlichen Subjektform und damit die bürgerliche Subjektform selbst. Seiner materiellen Grundlagen und seiner um Arbeit, Geld usw. zentrierten Sinn- und Identitätsprothesen beraubt, läuft die bornierte und ohnehin „sinnlose“ bürgerliche Existenz endgültig ins Leere und bleiben vom modernen Subjekt nur entsprechend leere Hülsen zurück (vgl. Kurz 2018).
Robert Kurz sprach gar von einem sich in der finalen Krise entfaltenden „Todestrieb des Kapitals“, der in letzter Instanz auf Weltvernichtung und damit Selbstzerstörung hinauslaufe. Das Kapital duldet nichts außer sich, und wo kein Kapital und keine Verwertung mehr ist, soll gar nichts mehr sein.
„Nicht der leere Selbstzweck des Kapitals, sondern die Welt soll verschwinden, nämlich sich endgültig in das ‚leere Prinzip‘ auflösen. […] Dieselbe Logik, die sich auf der Ebene von individuellen Amokläufern im Mikro-Bereich äußert, lauert auch auf der Makro-Ebene des Gesamtverhältnisses. Kapitalismus ist nicht nur ein schleichendes Weltvernichtungsprogramm durch seine Nebenwirkungen, sondern läuft auf eine finale Vernichtung und Selbstvernichtung durch seine eigenen Institutionen zu.“ (Kurz 2003, S. 428)
Wenn in der Krise des Kapitalismus kein adäquates Bewusstsein für die sich dadurch ergebende Möglichkeit, aber auch Notwendigkeit der Überwindung des an seinen eigenen Widersprüchen zugrunde gehenden Kapitalverhältnisses gegeben ist und umso starrsinniger an den erodierenden kapitalistischen Kategorien festgehalten wird, bleibt als Alternative nur die immer noch verzweifeltere Verwaltung der Krise, damit aber auch die immer noch weiter gesteigerte, blinde Exekution der auf allen Ebenen zunehmend eskalierenden Widersprüche.
Sowohl die Corona-Krise als auch der aktuelle Ukraine-Krieg legen ein beredtes Zeugnis von der Plausibilität und Tragfähigkeit der wertkritischen Krisentheorie, gerade im Hinblick auf ihre sozialpsychologischen Implikationen, ab. In den vergangenen zweieinhalb Jahren wurden wir Zeugen einer auch für krisentheoretisch geschulte Beobachter beeindruckenden Irrationalität des im Verfall befindlichen Spätkapitalismus und seines postmodernen Krisensubjekts. Diese Diagnose beschränkt sich bei weitem nicht nur auf mehr oder weniger abstruse Verschwörungstheorien, wie sie in der Corona-Krise in einigen Segmenten der Bevölkerung um sich griffen – und denen zufolge das Coronavirus etwa eine Erfindung von Bill Gates und Co. und die Corona-Impfung Teil eines genozidalen Bevölkerungsreduktionsprogramms sei –, sondern umfasst auch und gerade die offizielle Seuchenbekämpfungspolitik der Staaten wie auch die gesamtgesellschaftliche Reaktion auf das Virus – eine Reaktion, die besonders in den Staaten des globalen Westens nicht minder wahnhafte und paranoide Züge annahm (vgl. Schink 2023). Damit verbunden ist auch ein offenbar auf neue Höhen gekletterter Realitätsverlust, der in der Stilisierung einer grippeähnlichen Infektionskrankheit zu einem „Killervirus“ und einer „Jahrhundertseuche“ ebenso Gestalt annahm wie in der völlig verzerrten westlichen Wahrnehmung des Ukraine-Krieges, seiner Ursachen sowie seines Verlaufs, der zunehmend von einem historischen Debakel des Westens und insbesondere der US-amerikanischen Hegemonialmacht kündet (dazu Urban/Uhnrast 2022a).
Auch für einen sich entfaltenden Todestrieb der kapitalistischen Gesellschaft in ihrer Agonie liefern Corona- wie Ukraine-Krise eindrucksvolle Indizien. Auch hierfür sind die Reaktionen aufseiten des „Corona-Mainstreams“ und des offiziellen Pandemie-Narrativs mitunter symptomatischer als jene von sogenannten „Coronaleugnern“ oder „Impfgegnern“, welchen etwa Tomasz Konicz ausdrücklich einen Todestrieb attestiert, der sie zur „irrationalen“ Ablehnung der Impfung motiviere (Konicz 2022). In Anbetracht des mittlerweile kaum noch zu übersehenden negativen Nutzen-Risiko-Verhältnisses der neuartigen, unter Umgehung der üblichen Sicherheitsstandards auf den Markt geworfenen genetischen Corona-Impfstoffe – unter Abwägung des für die gesellschaftliche Mehrheit geringen Risikos durch eine Covid-Infektion und des Risikos für Impfnebenwirkungen und Impfschäden – bestünde durchaus Diskussionsbedarf, ob der Befund eines „Todestriebs“ tatsächlich primär Impfskeptikern oder nicht vielleicht doch eher den unkritisch und oftmals auf der Grundlage einer inadäquaten Nutzen-Risiko-Abwägung in die Impfung gelaufenen Teilen der Bevölkerung auszustellen wäre. Ganz zu schweigen von den immensen „Kollateralschäden“ der Corona-Maßnahmen, die, wie heute immer deutlicher wird, in keinerlei Verhältnis zur tatsächlichen Gefährlichkeit des Coronavirus stehen. Im aktuellen Ukraine-Krieg ist ein gewisser Sog zur Selbstzerstörung ohnehin mit Händen zu greifen, etwa im wirtschaftlichen Selbstmord, den Europa derzeit mit seiner ebenso beharrlich verfolgten wie dysfunktionalen Sanktionspolitik gegen Russland zu begehen scheint, vor allem aber in der permanenten Eskalation des Krieges zu einem möglichen nuklearen Schlagabtausch, der die Menschheit über die Schwelle zur Selbstvernichtung führen würde.
Im Folgenden soll die angesprochene, gerade im Ukraine-Krieg wie auch im Corona-Wahn eine neue Qualität erreichende Krise des Kapitalismus einer genaueren Betrachtung unterzogen werden – dies vor allem unter dem Gesichtspunkt eines sich immer deutlicher abzeichnenden Realitätsverlusts und einer damit Hand in Hand gehenden Neigung zu (auto)destruktiven Reaktionen und Verhaltensweisen. Dabei kann im Grunde nahtlos an frühere Erörterungen im Kontext der Corona-Krise angeknüpft werden, die bereits reiches Anschauungsmaterial für einen galoppierenden Realitätsverlust und eine überbordende Irrationalität vor allem in den Ländern des Westens, ganz besonders aber in Westeuropa, lieferte, und die ihrerseits wiederum als Symptom der sich zunehmend verschärfenden finalen Krise des warenproduzierenden Systems gedeutet wurden (Urban/Uhnrast 2022b & 2022c). Im Ukraine-Krieg und den damit zusammenhängenden westlichen Reaktionen finden viele der Thesen, die wir vor dem Hintergrund des Corona-Wahns entwickelten, nachträglich eine zusätzliche Bekräftigung. Denn die Kluft zwischen objektiver Realität und deren Wahrnehmung scheint im westlichen „Krieg gegen Putin“ (eigentlich kaum noch möglich, sollte man meinen) zuweilen sogar noch größer zu sein als bei Corona. Entsprechend noch wahnhafter fallen die Reaktionen aus.
Im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags stehen dabei zunächst vor allem die unübersehbaren Parallelen zwischen Corona-Wahn und „Krieg gegen Putin“. Angesichts der Tatsache, dass die westlichen Reaktionen sowohl auf das Coronavirus als auch auf den Ukraine-Krieg Produkt ein und desselben irrationalen und von der objektiven Wirklichkeit weitgehend abgehobenen Realitätsbezugs sind, mit dem insbesondere der kapitalistische Westen durch seine eigene Krise zu stolpern scheint, sind solche Parallelen im Grunde nicht allzu überraschend, auch wenn Coronavirus und Ukraine-Krieg zwei sehr unterschiedliche Phänomene sind. Gleichwohl ist eine Beschäftigung mit besagten Parallelen erhellend, und zwar gerade, weil jene beiden Anlässe und Gegenstände einer hochgradig irrationalen Reaktionsbildung für sich genommen so wenig miteinander zu tun haben. Das eine ist ein Virus – und noch nicht einmal ein außergewöhnlich gefährliches –, das andere ein militärischer Konflikt. Und doch weisen die Reaktionen auf beide Phänomene beeindruckende Ähnlichkeiten auf, sowohl mit Blick auf die irrationale Form der Reaktionsbildung, als auch mit Blick auf die daraus hervorgehenden Effekte. Frappante Parallelen sind ja bereits auf diskursiver bzw. propagandistischer Ebene zu konstatieren: Im „Krieg gegen Corona“ wie auch im „Krieg gegen Putin“ wird mithilfe „eines gewaltigen Propagandaapparates [...] ein öffentlicher ‚Konsens‘ produziert, der keinerlei Widerspruch oder auch nur Differenziertheit duldet. Wurde bereits im ‚Krieg gegen das Virus’ eine ‚Solidargemeinschaft‘ geschaffen und beschworen, die mit heftiger Ranküne auf all jene reagierte, die es wagten, dumme Fragen zu stellen (über Lockdowns, Maskenpflichten, Impfungen etc.), so steht nun ebenfalls ein Heer von ‚Solidarischen‘ Seite an Seite mit der ukrainischen Regierung und in Geschlossenheit gegen den russischen Aggressor. Es scheint fast so, als habe der während der Pandemie wiederentdeckte ‚Volkskörper‘ nur darauf gewartet, sich endlich in einem ‚echten‘ Krieg bewähren zu dürfen. Wer heute nicht in den sich allerorten (besonders krass aber in Deutschland) ausbreitenden Bellizismus einstimmt, wird schon fast als ‚Staatsfeind‘ denunziert.“ (Urban 2022a)
„Meine Herrn, ich erfülle hier die traurige Pflicht, Ihnen ein volles Bild der Geistesverwirrung des Patienten zu entwerfen und ich muß Sie bitten, weder diesen Unglücklichen noch auch mich als den zufälligen Demonstranten einer abscheuerregenden Form von Irresein verantwortlich zu machen. Seine Verantwortlichkeit ist durch die Krankheit aufgehoben, meine durch die Wissenschaft. (Rufe: ‚So ist es!‘) Meine Herrn, der Mann leidet an der fixen Idee, daß Deutschland durch eine ‚verbrecherische Ideologie‘, wie er den hehren Idealismus unsrer Obrigkeiten nennt, dem Untergang entgegengetrieben werde, er findet, daß wir verloren sind, wenn wir uns nicht auf dem Höhepunkte unsres Siegeslaufs für geschlagen erklären […].“
Ein Psychiater in Die letzten Tage der Menschheit von Karl Kraus[1]
Eine weitere, unmittelbar ins Auge springende Ähnlichkeit, die damit ebenfalls bereits angedeutet wurde, ist eine weitgehende Militarisierung der Gesellschaft, nicht zuletzt auch der Sprache. Bereits bei Corona hatten die „Staatsbürger [...] sich als Soldaten zu verhalten, denen Durchhalteparolen zum gemeinsamen Darben den Korpsgeist stärkte[n]“ (Krovich 2022, S. 16). Überhaupt wurde die Bekämpfung der Seuche recht bald als Krieg gerahmt (Macron: „Wir sind im Krieg“), die neuartigen mRNA-Impfstoffe galten in diesem Krieg als „Wunderwaffe“ und Medien berichteten regelmäßig von der „Impffront“, wenn es um den Fortschritt der Impfkampagnen ging. Nicht zu vergessen die direkte Einbindung des Militärs in die Pandemiebekämpfung, auf Pressekonferenzen zuweilen repräsentiert durch Generäle im
Tarnanzug.[2] Im Krieg wähnte sich die (westliche) Welt also bereits gegen das Coronavirus, nicht erst heute gegen „den Russen“.
Schließlich sind auch Ähnlichkeiten auf politisch-ökonomischer Ebene nicht von der Hand zu weisen: Sowohl Corona als auch der Ukraine-Krieg werden offenkundig (auch) als Vehikel oder zumindest als Vorwand für die Bearbeitung und Verwaltung der sich immer weiter zuspitzenden finalen Kapitalismuskrise verwendet. Dies betrifft schon die politischen Formen und Mittel der kapitalistischen Notstands- und Menschenverwaltung, die gerade im Rahmen der Corona-Krise erheblich ausgebaut und insbesondere technologisch enorm verfeinert wurden (Impfzertifikate, „Grüner Pass“, Trackingsysteme etc.). Alleine der auf die Bevölkerung ausgeübte Impfterror hatte offenkundig (zumal die Corona-Impfung kaum wie erhofft und versprochen wirkt) andere Ziele als eine effektive „Pandemiebekämpfung“ – im Wesentlichen sollte er „ein Klima der Unterwerfung schaffen und die Kontrollinstrumente präparieren, die die Staaten brauchen, wenn die wirklichen Krisen kommen“ (Jappe 2022). Aber auch auf ökonomischer Ebene sind Corona-Krise wie auch Ukraine-Krieg vor allem im Kontext der Krisenverwaltung und der damit zusammenhängenden Bestrebungen der kapitalistischen Funktionseliten zu sehen, ein neues, kybernetisches Akkumulationsregime (Digitalisierung, Biotechnologie etc.) durchzusetzen. Nicht die geringste Rolle scheint dabei das Bremsen des Profitratenfalls zu spielen, indem einzelnen Leitsektoren und großen Kapitalfraktionen durch eine auf massiver Gelddruckerei beruhende, hochdimensionierte staatliche Subventionierung eine ebenso massenhafte Nachfrage nach ihren „Produkten“ und auf diese Weise historisch beispiellose Renditen beschert wurden – im Corona-Kontext waren dies die Pharma[3]- und die Digitalindustrie, im Ukraine-Krieg sind es der militärisch-industrielle Komplex sowie Energiekonzerne (als nächstes könnte die Nahrungsmittelindustrie an der Reihe sein). In krisentheoretischer Hinsicht ist dies insofern bedeutsam, als der Krisenkapitalismus damit endgültig in ein Stadium der offenen Autophagie (vgl. Jappe 2017) eingetreten zu sein scheint und das Kapital nun zunehmend dazu übergeht, sich autokannibalistisch selbst zu verzehren. Corona-Krise und Ukraine-Krieg (bzw. dessen konkreter Verlauf) sind also gewiss nicht ausschließlich durch einen besonders im verfallenden Westen virulenten Realitätsverlust und eine damit Hand in Hand gehende überbordende Irrationalität zu erklären, sondern hier gibt es ohne Zweifel auch eine gewisse Binnenrationalität, die analytisch in Rechnung zu stellen ist – wenn auch eine, die in sich selbst völlig irrational ist und darüber hinaus gebrochen durch die in der Krise immer mehr durcheinandergehenden Interessen und Kalküle von Staat(en) und diversen Kapitalfraktionen.[4]
Das Hauptaugenmerk des vorliegenden Beitrags liegt gleichwohl auf dem Moment eines krisenbedingt voranschreitenden Realitätsverlusts bzw. auf der Untersuchung der Frage, wie weit eine solche These zur Erklärung der Ereignisse der vergangenen zweieinhalb Jahre trägt. Der Fokus der Analyse soll dabei auf zwei besonders frappante Parallelen zwischen dem „Krieg gegen Corona“ und dem „Krieg gegen Putin“ gelegt werden, da an diesen der Realitätsverlust und die Irrationalität, die laut der hier vertretenen These beiden „Kriegen“ zugrunde liegen oder zumindest für ihre konkrete Verlaufsform bestimmend sind, besonders eindrucksvoll abgelesen werden können. Dies ist zum einen die bereits per se irrationale (westliche) Reaktion auf beide Phänomene bzw. gesellschaftliche Ereignisse – im einen Fall ein grippeähnliches Atemwegsvirus, im anderen Fall eine kriegerische Auseinandersetzung (deren historische und geopolitische Ursachen völlig ignoriert oder in ihr genaues Gegenteil verkehrt werden). Dieser irrationalen und auf einer völlig verzerrten Wahrnehmung der Realität beruhenden Reaktion folgte zum anderen ein nicht minder realitätsfremdes und irrationales Maßnahmenregime, das in beiden Fällen hochgradig autodestruktive Effekte zeitigte (Lockdowns, Masken, Massenimpfung etc. auf der einen Seite, eine wirtschaftlich in hohem Maße selbstschädigende Sanktionspolitik sowie ein beharrliches Hocheskalieren des Konflikts zu einem möglichen Dritten Weltkrieg auf der anderen Seite). Und wie schon bei Corona hat sich die westliche Politik auch im „Krieg gegen Putin“ in eine Sackgasse manövriert, in der ihr trotz des offenkundigen Scheiterns und der massiven Schädlichkeit des eigenen Handelns nur die immer noch irrationalere Flucht nach vorn und eine immer noch destruktivere Politik nach dem Muster „more of the same“ bleibt (noch mehr Lockdowns, noch mehr Impfen, noch mehr Sanktionen, noch mehr Waffen). In beiden Fällen hat sich also der Westen – und der Westen eindeutig stärker und mit ungleich mehr Verve als andere Länder und Weltregionen, weshalb es auch angemessen erscheint, hier von einem spezifisch westlichen Phänomen zu sprechen – in einer fatalen Eskalationsspirale verfangen, die letztlich in einer Beschleunigung des eigenen Verfallsprozesses, aber auch der kapitalistischen Krisendynamik insgesamt kulminiert.
Teil 1: „Killervirus“ und „Mad Vlad“ – Die postmoderne Krisenwelt als Wille und Irrenhaus
1. Ein schwerer Verlauf: Wie aus einem grippeähnlichen Atemwegsvirus eine „Jahrhundertseuche“ wurde
Wenn es noch irgendeines Beweises bedurft hätte, dass das postmoderne Krisensubjekt mit den Nerven am Ende und darüber hinaus intellektuell restlos verkommen ist, dann hat Corona diesen Beweis ein für alle Mal erbracht. Es ist kein Zufall, dass der „pandemische Nervenzusammenbruch“ (Urban/Uhnrast 2022b), der im März 2020 vor allem die westliche Welt ereilte, ausgerechnet durch ein Virus ausgelöst wurde. Denn die kapitalistische Moderne leidet spätestens seit den Entdeckungen von Louis Pasteur[5] und Robert Koch[6] im späten 19. Jahrhundert unter einer ausgewachsenen Mikrobenphobie, und infolge einer immer mehr Lebensbereiche umfassenden Medikalisierung hat sich die westliche Gesellschaft im Laufe des 20. Jahrhunderts zunehmend in eine Art – nicht nur ideelles, sondern reales – Gesamtkrankenhaus verwandelt (vgl. Illich 1977). Im Corona-Wahn kommt somit zu sich, womit die Moderne praktisch schon seit ihrer Frühphase, jedenfalls aber seit der Herausbildung der modernen Medizin schwanger geht. Corona ist daher auch historisch durchaus nicht der erste Fall einer größere Ausmaße annehmenden Virenhysterie – siehe etwa die Aufregung um HIV/AIDS vor allem in den 1980er Jahren (die aber immerhin ein neues und dabei oft tödlich verlaufendes Krankheitsbild zur Grundlage hatte[7]), ganz zu schweigen von den allesamt im Sande verlaufenen „Pandemien“ der jüngeren Vergangenheit (SARS, Vogelgrippe, Schweinegrippe).
Eine gänzlich neue Qualität ist der Corona-Hysterie dahingehend zuzuschreiben, dass sie die Ausmaße eines Massenphänomens von globaler Tragweite annahm und sich darüber hinaus an einem Erreger entzündete, dessen Pathogenität erwiesenermaßen zu keiner Zeit signifikant höher war als die einer Influenza. COVID-19 war also in der Tat „die erste tödliche Epidemie, von deren Existenz die Menschen überzeugt werden müssen“ (Erreger-Redaktion 2022, S. 1). Man kann dabei nicht einmal konzedieren, dass man es am Anfang leider nicht besser wusste und hinterher halt immer klüger ist. Selbstverständlich gab es zu Beginn der „Pandemie“ durchaus gewisse Unsicherheiten und offene Fragen. Dazu gehört u.a. die Frage der Herkunft des „neuartigen“ Coronavirus, und wenn sich etwa bewahrheiten sollte – wofür sich allerdings in letzter Zeit die Indizien stark verdichtet haben[8] –, dass das Virus nicht natürlichen Ursprungs ist (Zoonose), sondern aus einem Labor stammt, so wäre das immerhin bis zu einem gewissen Grad eine Erklärung für die extreme Reaktion der Staaten und könnte gewissermaßen als mildernder Umstand geltend gemacht werden, da bei einem künstlichen Virus erheblich mehr Unsicherheiten bestehen, etwa was das Mutationsverhalten oder potentielle, sich erst peu à peu herausstellende, vom Virus verursachte Pathologien betrifft. Gleichwohl trugen die Reaktionen und viele der von den Staaten verhängten Maßnahmen, selbst wenn man die Möglichkeit eines künstlichen Virus und einer entsprechend übervorsichtigen Reaktion in Rechnung stellt, hochgradig irrationale Züge und standen praktisch zu keiner Zeit in einem Verhältnis zur empirisch wahrnehmbaren pandemischen Bedrohungslage. Bereits frühzeitig lagen valide Daten über Krankheitsschwere und Mortalität vor, etwa vom Kreuzfahrtschiff Diamond Princess, die vielleicht nicht unmittelbar Anlass zur Entwarnung gewesen wären, aber es allemal gerechtfertigt hätten, mit Maßnahmen zurückhaltend zu sein (siehe hierzu und im Folgenden Urban/Uhnrast 2022b mit entsprechenden Verweisen). John P. Ioannidis, einer der renommiertesten Epidemiologen der Welt, warnte bereits im März 2020 eindringlich davor, auf dieser Datengrundlage derart weitreichende Maßnahmen zu ergreifen, wie sie dann tatsächlich verhängt wurden (z.B. Lockdowns), da der Schaden dieser Maßnahmen mit hoher Wahrscheinlichkeit höher ausfallen würde als der durch das Virus (A fiasco in the making, Ioannidis 2020).[9] Ioannidis sprach damit übrigens nur aus, was bis dahin seit langem wissenschaftlicher Konsens war. Selbst die WHO hatte bis zum Erscheinen von Corona auf der Weltbühne für den Fall einer Epidemie oder Pandemie von Maßnahmen wie Ausgangssperren und Lockdowns dezidiert abgeraten. Dafür, ausgesprochen zu haben, was bis dahin Konsens war, und an die fehlende epidemiologische Grundlage zur Rechtfertigung rigider Maßnahmen zu erinnern, durfte Ioannidis als einer der ersten prominenten Wissenschaftler mit dem bald zur Standardfloskel avancierten Schimpfwort des „Coronaverharmlosers“ und „Coronaleugners“ (im deutschen Sprachraum gerne auch ergänzt um Wortschöpfungen wie „Covidiot“ oder „Schwurbler“) Bekanntschaft machen. Und so nahm das von ihm prophezeite Fiasko seinen Lauf.
Interessanterweise galt noch im Januar 2020 die Annahme, Corona sei ein besonders gefährliches Virus, als „Verschwörungstheorie“ von Rechten und anderen Spinnern, über die sich derselbe mediale Mob lustig machte, der kurz darauf eine 180-Grad-Wende vollzog und nunmehr über jeden und jede herfiel, der/die am „Killervirus“ und den „alternativlosen“ Maßnahmen zweifelte (vgl. Anton/Schink 2021,
S. 204f.; Rosner 2023). Auf irgendeiner ernstzunehmenden Faktenlage beruhte dieser Schwenk freilich nicht, eher im Gegenteil: Im Laufe der Zeit bestätigten (Meta-)Studien die Schätzungen aus der Anfangsphase der „Pandemie“. Ioannidis errechnete in einem erstmals im Herbst 2020 im Bulletin der WHO veröffentlichten Paper eine durchschnittliche Infektionssterblichkeit von weniger als 0,3%, was der Sterblichkeitsrate einer mittelschweren Grippewelle entspricht (Ioannidis 2021a). Diese Schätzung wurde später noch auf 0,15% nach unten korrigiert (Ioannidis 2021b). Wir sprechen hier wohlgemerkt noch von der Wuhan-Variante, also von einem Zeitraum lange vor der heute virulenten Omikron-Variante, deren Pathogenität im Grunde nur noch im Bereich eines banalen Infekts liegt. Neuere Studien belegen, dass das Sterberisiko vor allem für die Bevölkerung unter 70 Jahren anfangs deutlich überschätzt wurde (Pezzullo et al. 2022). Auch unter Berücksichtigung anderer Parameter als die Mortalität hebt sich Corona nicht wesentlich von früheren, größeren Grippewellen ab. So ist es etwa – entgegen den während der Corona-Krise an die Wand gemalten Katastrophenszenarien eines zusammenbrechenden Gesundheitssystems – zu einem systembedrohenden Mangel an Kranken- und Intensivbetten (jedenfalls unter den Bedingungen eines leidlich funktionierenden Gesundheitswesens, wie es in Ländern wie Deutschland und Österreich – noch – existiert) nachweislich zu keiner Zeit gekommen.
Wo, gemessen an der vorliegenden wissenschaftlichen Evidenz, die wahren „Leugner“ und „Schwurbler“ sitzen – und dass es sich bei derartigen Zuschreibungen an die Adresse von Maßnahmenkritiker/innen primär um handfeste Projektionsleistungen handelt –, kann eindrucksvoll an der medialen „Berichterstattung“ über eine angeblich erneut drohende Infektionswelle im Herbst 2022 abgelesen werden. Beispielhaft dafür ist das „Geschwurbel“ der linksliberalen Tageszeitung Der Standard, eines der Zentralorgane des „Coronismus“ in Österreich, das inzwischen nicht einmal mehr mit Begriffen wie Realsatire hinreichend zu bezeichnen ist und eher auf hochgradig psychotische Tendenzen in den Redaktionsstuben hindeutet. Dort wurde wochenlang angesichts „steigender Zahlen“ lautstark nach einer Wiedereinführung von „Maßnahmen“, insbesondere aber der (seit Anfang Juni 2022, abgesehen von Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäusern oder Pflegeheimen, nur noch in Wien gültigen) Maskenpflicht gerufen. Dass diese „Zahlen“ keinerlei valide Aussage über das tatsächliche Infektions- und Krankheitsgeschehen abzuleiten erlauben (und dies auch niemals taten), da sie nicht zwischen Haupt- und Nebendiagnose unterscheiden und jeden, unabhängig vom Vorliegen Corona-typischer Symptome und allein auf der Grundlage eines positiven Testergebnisses, als „Covid-Patienten“ erfassen, ist mittlerweile eigentlich selbst dem hinsichtlich Corona-Daten- und Faktenlage durch und durch ignoranten Standard bekannt: In einem Artikel vom 5. Oktober 2022[10] wird berichtet, dass lediglich 22% der „Corona-Patienten“ auf Normalstationen tatsächlich wegen einer Corona-Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden. Auf Intensivstationen seien es gar nur 12%. Die Zahlen über Krankenhaus- und Intensivbettenbelegung wären demnach also durch fünf bzw. acht zu dividieren, um die tatsächliche Corona-bedingte Krankheitslast zu ermitteln. Der Standard bringt es fertig, diese Erkenntnis umgehend wieder zu vergessen bzw. zu verdrängen und im selben Artikel, nur wenige Absätze später, wieder die unbereinigten Zahlen aus den Corona-Dashboards als Grundlage für die Beschwörung einer unmittelbar bevorstehenden gesundheitlichen Notlage heranzuziehen, der durch eine rasche Verschärfung bzw. Wiedereinführung der „Maßnahmen“ zu begegnen sei. Gegen den österreichischen Gesundheitsminister Johannes Rauch, der sich verzweifelt gegen eine Wiedereinführung von Maskenpflicht und Co. stemmte, wurde eine mediale Kampagne gefahren, da ein weiteres Zuwarten mit Maßnahmen „unvorsichtig“, ja „fahrlässig“ sei.
Wie fernab jeder Realität die Blase der Standard-Journalist/innen beheimatet ist, wird vollends in einem Interview mit dem Gesundheits-minister deutlich (in dem dieser auch weniger interviewt, als vielmehr vom Fragen stellenden und – angesichts der ruhigen Sachlichkeit des Ministers – immer wieder merklich hyperventilierenden Journalisten drangsaliert wird): Dort wird allen Ernstes die seit Monaten zu beobachtende, überdurchschnittlich hohe Übersterblichkeit als Argument für eine dringend notwendige Verschärfung von Maßnahmen ins Feld geführt.[11] Dass die Übersterblichkeit, angesichts der sehr geringen Mortalität unter den Bedingungen von Omikron, bereits logisch nicht durch Corona-Todesfälle zustande kommen kann, fällt dabei ebenso unter den Tisch, wie andere, viel wahrscheinlichere Erklärungs-ansätze für die in der Tat bemerkenswerte Übersterblichkeit – so etwa, dass darin möglicherweise nun zeitverzögert die „Kollateralschäden“ der verheerenden Corona-Maßnahmen statistisch sichtbar werden oder potentielle Folgeschäden der Massenimpfung (der Trend zur Übersterblichkeit setzt bereits 2021 am Höhepunkt der Impfkampagnen ein).
Derartige Beispiele sind übrigens noch in anderer Hinsicht interessant als der eines kaum noch steigerbaren Realitätsverlustes. Sie zeigen auch die Schwierigkeit der Politik, die Geister, die sie seit März 2020 mit ihren „Maßnahmen“ und den damit einhergehenden Angst-kampagnen gerufen hat, wieder zurück in die Flasche zu bekommen. Ein nicht geringer Prozentsatz der Bevölkerung verlangt beharrlich auch weiterhin danach, vom Staat „beschützt“ zu werden, und sei es gegen eine Schnupfenwelle. Es spielt dabei auch keine Rolle, ob die dagegen verhängten „Maßnahmen“ überhaupt einen messbaren Nutzen haben (vom Schaden einmal ganz zu schweigen). Hauptsache, es wird „etwas getan“. Das wiederum verweist darauf, dass es bei dem ganzen Theater nicht einmal primär um Corona und den Schutz vor Krankheit geht, sondern um die Abwehr einer viel allgemeineren Angst und existentiellen Verunsicherung, die mit den stetig zunehmenden Krisentendenzen der kapitalistischen Gesellschaft fast schon notwendig einhergeht und den Subjekten nicht erst seit gestern zu schaffen macht. Diese Angst vor dem Hintergrund all der unverstandenen Krisentendenzen bekommt durch Corona ein dankbar aufgegriffenes Objekt, auf das diese Angst projiziert werden kann, und das Maßnahmenregime wiederum schafft Möglichkeiten, die Angst vorübergehend auf relativ kurzem Wege abzuführen. Hinzu kommen auch identitäre Bedürfnisse jener durch und durch individualisierten, völlig auf sich selbst zurückgeworfenen und entsprechend bindungslosen postmodernen Subjekte, welchen Corona ebenfalls ein geeignetes Gefäß bietet, und die sich nicht zufällig besonders an die „Maßnahmen“ heften: „Endlich sind ‚wir‘ ein (pseudo)solidarisches Kollektiv, das gemeinsam gegen eine globale Bedrohung kämpft, und die Teilhabe am Kollektiv kann darüber hinaus sehr leicht nach außen hin demonstriert, quasi veräußerlicht werden, etwa durch das Maskentragen oder mittlerweile durch das Impfen.“ (Urban/Uhnrast 2022c)
Diese toxische sozialpsychologische Gemengelage aus diffusen Zukunftsängsten, krisenbedingten identitären Bedürfnissen und einem bereits vor Corona weit fortgeschrittenen Realitätsverlust bildete schließlich das Einfallstor für die im März 2020 einsetzenden statistischen Taschenspielertricks und die systematischen Angst- und Panikkampagnen, mit denen Corona zu einem „Killervirus“ und einer „Jahrhundert-seuche“ aufgeblasen und in die Köpfe der Menschen gehämmert wurde. Zur Chiffre für die COVID-19-„Pandemie“ avancierten in diesem Zusammenhang z.B. die „Bilder von Bergamo“. Heute weiß man, wie irreführend diese Bilder und ihre mediale Darstellung waren. Denn diese Bilder zeigten mitnichten, was sie suggerierten – nämlich durch die Pandemie verursachte Leichenberge –, sondern eine Szene, für deren Zustandekommen eine ganze Reihe von Faktoren ausschlaggebend war. Zunächst einmal gab es in Bergamo damals in der Tat ein etwas größeres, regional begrenztes Sterbegeschehen, das allerdings nicht größer war als bei früheren schweren Grippewellen und darüber hinaus nicht unwesentlich durch gravierende Fehler im „Pandemiemanagement“ verursacht wurde (z.B. Verlegung von Erkrankten in Pflegeheime, systematische Fehlbehandlungen von Corona-Kranken). Zweitens kam es durch die behördliche Anordnung der (im erz-katholischen Italien eher unüblichen) Verbrennung der Verstorbenen und einen entsprechenden Mangel an Krematorien zu einer Über-lastung der dortigen Bestattungsunternehmen. Der auf den Fotos abgebildete Militärkonvoi kam schließlich, drittens, durch eine eigen-mächtige politische Entscheidung zustande, die verfügte, die sich infolge der behördlichen Vorgaben bei den Bestattungsunternehmen häufenden Leichname mithilfe des Militärs zu anderen Krematorien in umliegenden Orten zu transportieren. Diese „Aktion“ blieb in dieser Form auch einmalig, wiederholte sich also nirgends, weder in Bergamo, noch sonst irgendwo in Italien. Über das tatsächliche Zustande-kommen der „Bilder aus Bergamo“ konnte etwas mehr als ein Jahr danach sogar in Mainstreammedien nachgelesen werden.[12]
Größere Bekanntheit erlangten auch etliche andere Beispiele für den gezielten Einsatz von Angst zur Kontrolle und Steuerung der Bevölkerung, so z.B. eine Aussage des damaligen österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz während einer Pressekonferenz Ende März 2020, wonach „jeder von uns bald jemanden kennen“ werde, „der an Corona gestorben ist“.[13] Ebenso das sogenannte „Panikpapier“ aus dem deutschen Innenministerium (BMI 2020), das auf der Grundlage abenteuerlicher Modellierungen ein Katastrophenszenario entwarf und – an Perfidie kaum zu übertreffen – sogar empfahl, Kinder durch Angst gefügig zu machen, indem man ihnen einreden solle, sie könnten den Tod ihrer Eltern und Großeltern verursachen. Auch in Großbritannien gelangten Informationen über die konzertierte Angst- und Panikmache und die dabei eingesetzten Methoden an die Öffentlichkeit, nachdem Angehörige der britischen Corona-Taskforce eingestanden hatten, mit „unethischen“ und „totalitären“ Mitteln gearbeitet zu haben (vgl. Dodsworth 2021). Auf diese Weise wurde abseits aller Wahrscheinlichkeit „ein Worst-Case-Szenario [...] als neue Wirklichkeit“ implementiert, die im weiteren „durch Massentests, Social Distancing und Masken erschaffen und gestützt“ wurde (Krovich 2022, S. 16). Die mediale Wucht und durchaus auch hohe Professionalität der politischen und medialen Angstkampagnen könnten fast Zweifel an der hier vertretenen These aufkommen lassen, wir seien während der Corona-Krise Zeugen eines universalen Realitätsverlusts geworden, und stattdessen die Vermutung nahelegen, dass hier durchaus (auch) planmäßig und mit Kalkül zu Werke gegangen wurde. Zum Teil dürfte das auch stimmen. Dass die These eines universalen Realitätsverlusts dennoch weit trägt, verdeutlicht etwa die Tatsache, dass ein großer Teil der Panikmacher aus Politik, Medien und Wissenschaft offenkundig selbst Opfer ihres eigenen „Narrativs“ wurden. Es besteht wenig Zweifel, dass ein Karl Lauterbach[14] oder die oben zitierte Standard-Journaille ernst meinen, was sie von sich geben. Ebenso spricht gegen eine durch und durch fingierte PR-Pandemie, dass die professionell und mit viel (nicht zuletzt finanziellem) Aufwand produzierten Kampagnen oft genug ins Absurde und Lächerliche abglitten und eine unfreiwillige Komik an den Tag legten – siehe pars pro toto die zahlreichen „kreativen“ Aktionen, mit denen die Bevölkerung für die Impfung geködert werden sollte (etwa die legendäre Bratwurst[15]). Auch das und vor allem die Ernsthaftigkeit, mit der ein derartiger Unsinn veranstaltet wurde, spricht dagegen, dass alle Verantwortlichen zu jeder Zeit wussten, was sie taten.
Unter diesem Gesichtspunkt sind wahrscheinlich auch jene Pandemie-Planspiele zu betrachten, die seit Jahren in Kooperation von Staaten, NGOs, „philanthropischen“ Stiftungen, wissenschaftlichen Institutionen und (Pharma-)Konzernen, oftmals auch unter Beteiligung militärischer Körperschaften, unter der Doktrin der pandemic preparedness durchgeführt werden und unter „Verschwörungstheoretikern“ gerne als Indiz für den planmäßigen Charakter des Corona-Regimes gewertet werden (vgl. exemplarisch Schreyer 2020). Eines aus dieser inzwischen relativ langen Reihe von Planspielen ist etwa das berühmt-berüchtigte Event 201, das im Oktober 2019, u.a. organisiert vom Johns Hopkins Center for Health Security, dem World Economic Forum und der Bill & Melinda Gates Foundation, in New York durchgeführt wurde und – welch ein Zufall – den Ausbruch einer mittels weltweiter Lockdowns bekämpften Corona-Pandemie zum Gegenstand hatte. Nicht zuletzt solche Koinzidenzen erwecken tatsächlich manchmal den Eindruck eines geplanten Vorgehens, wobei aber schon dies nicht gerade von der Kompetenz und dem Fingerspitzengefühl der „Verschwörer“ künden würde – fordert doch ein öffentlich einsehbares Planspiel, dem nur wenige Monate später die fast minutiöse reale Umsetzung folgt, „Verschwörungstheorien“ praktisch geradezu heraus (es sei denn, dies wäre ebenfalls Teil des „Plans“, zumal sich diese „Verschwörungstheorien“, wie ja in der Corona-Krise eindrucksvoll beobachtet werden konnte, trefflich nutzen lassen, um Kritik zu diffamieren und so weitgehend zu unterbinden). Deutlich ist auch der Zusammenhang solcher Planspiele mit der von den Staaten zu bewerkstelligenden kapitalistischen Krisenverwaltung, etwa wenn in den Aufzeichnungen und Berichten offen darüber räsoniert wird, dass und wie die Bevölkerung durch gesellschaftliche Notfälle wie Pandemien und deren konzertierte Bekämpfung gegenüber autoritäreren Formen der Kontrolle und einer intensivierten Überwachung toleranter würde.[16] Wer also meint, die Herstellung solcher Zusammenhänge pauschal als „Verschwörungstheorie“ abtun zu können, ist schlicht naiv oder betreibt herrschaftsapologetische Propaganda. Auf der anderen Seite zeugen diese Planspiele aber auch von einer schwerlich anders als paranoid zu nennenden sozio-psychischen Disposition ihrer Macher, und allein die mit der Zeit technisch immer ausgefeilteren und auf immer noch mehr „Realismus“ getrimmten Szenarios (z.B. wird durch extra produzierte Fernsehansagen etc. auch die mediale Berichterstattung simuliert) hinterlassen beim kritischen Beobachter zuweilen den Eindruck, man befinde sich im Wohnzimmer jugendlicher Gaming-Nerds, die angesichts der grafisch hochentwickelten und mittlerweile entsprechend realistisch wirkenden Computerwelt, in der sie leben, bekanntlich manchmal Probleme haben, adäquat zwischen ihrer virtuellen und der sie umgebenden objektiven Realität zu unterscheiden. Hier ist also dieselbe postmoderne Virtualisierung am Werke, und es spricht wenig dafür, dass diese bei den Eliten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien weniger verheerende Auswirkungen auf Realitätssinn und Weltbezug entfaltet als beim Rest der Bevölkerung.
Für die Angehörigen des gemeinen Volkes, die all den während der Corona-Krise von oben dekretierten Unfug mitmachten, ohne darüber jemals ins Grübeln zu kommen, bleibt als Erklärung ohnehin nur Dummheit (oder Denkfaulheit), in Verbindung mit einem kaum noch zu steigernden Konformismus, aber auch einem weitgehend verlorengegangenen Realitätsbezug. Allein die Manipulierbarkeit, die erforderlich ist, um sich ein grippeähnliches Atemwegsvirus als „Killervirus“ verkaufen zu lassen, das es angeblich notwendig macht, die ganze Gesellschaft durch Lockdowns lahmzulegen, Ausgangssperren zu verhängen, die ganze Welt mit einer weitgehend unerprobten genetischen Impfung „durchzuimpfen“ und selbst Kinder dauerhaft hinter Masken zu zwingen, zeugt von intellektuellen Defiziten und einer völlig verzerrten Wahrnehmung, die ihresgleichen suchen. Wir haben in diesem Zusammenhang bereits an anderer Stelle z.B. die Verheerungen, die das postmoderne Denken im Laufe der letzten Jahrzehnte in den Köpfen der Menschen angerichtet hat, thematisiert. Dazu zählen nicht zuletzt die inzwischen allem Anschein nach völlig geschwundenen methodischen Fähigkeiten, Quantitatives mit Qualitativem zu vermitteln. Gerade mit Blick auf die völlig inkonsistenten „Corona-Zahlen“ und die Macht, die diese gleichwohl über die Menschen ausüben, lässt sich dies beinahe idealtypisch beobachten, etwa „im Starren auf irgendwelche Zahlen, von denen die wenigsten wissen, was sie genau bedeuten und zu welchen anderen Referenzgrößen diese überhaupt sinnvoll in Beziehung gesetzt werden können (etwa ‚Neuinfektionen‘, ‚Inzidenzraten‘ usw.). Gleichzeitig wird alles von diesen Zahlen abhängig gemacht, immer wird geschaut, ‚was die Zahlen sagen‘, ‚was die Zahlen hergeben‘. Und so hängt auch heute alles von einer einzigen Zahl ab, nämlich der ‚7-Tage-Inzidenz‘, die nicht nur dem eigentlichen epidemiologischen Konzept der Inzidenz Hohn spricht [...], sondern deren Grenzwerte noch dazu (und wohl nicht zufällig) völlig willkürlich festgelegt werden. Es könnte genauso gut der R-Wert oder irgendetwas anderes sein, das auf die notorischen Dashboards geschrieben wird und dann den Lauf der kapitalistischen Welt bestimmt wie sonst nur die Börsenkurse.“ (Urban/Uhnrast 2022c) Nicht zuletzt diese ausgewachsene Unfähigkeit zur Vermittlung von Quantitativem und Qualitativem geht mit einem zunehmenden Realitätsverlust Hand in Hand, denn wenn „nicht mehr adäquat vermittelt werden kann zwischen quantitativen und qualitativen Momenten, verliert man auch einen erheblichen Teil seines Welt- und Wirklichkeitsbezugs“ (ebd.).
Die „Maßnahmen“ und ihre Begründungen über den gesamten Zeitraum der „Pandemie“ bis heute waren (und sind) denn auch ähnlich abgehoben von jeder objektiven Wirklichkeit wie die allgemeine, dem ganzen Spuk zugrundeliegende Reaktion auf das „Killervirus“: Wissenschaftliche Evidenz Fehlanzeige, stattdessen ein wissenschaftlich verbrämter, der Struktur nach jedoch gleichsam magischer Glaube an die Wirksamkeit von Maßnahmen, deren Nutzen faktisch niemals belegt wurde und in den meisten Fällen bereits aufgrund der Art und der Eigenschaft der jeweiligen Maßnahmen mehr als fraglich ist. Als nach mehr als zwei Jahren ein vom deutschen Gesundheitsministerium bestellter „Sachverständigenausschuss“ einen Evaluationsbericht über die „Rechtsgrundlagen und Maßnahmen der Pandemiepolitik“ (Sachverständigenausschuss 2022) vorlegte, der genau dies konstatierte – die fehlende Evidenz des gesamten Corona-Maßnahmen-portfolios –, wurde dieser Mangel an Wissenschaftlichkeit kurzerhand zu einem der Evaluation umgebogen, um anschließend unbeeindruckt mit denselben Maßnahmen, deren nicht vorhandene wissenschaftliche Grundlage soeben offiziell bestätigt wurde, fortzufahren und dies mit denselben alten, durch die Evaluation de facto als „unwissenschaftlich“ entlarvten Argumenten zu begründen. Ausgerechnet jene Passagen des Berichts, die wissenschaftlich tatsächlich unsauber sind – jene über die zum Fetischgegenstand des „Coronismus“ avancierten Masken –, wurden hingegen als wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis akzeptiert und umgehend in das eigene, verquere „Narrativ“ eingebaut. Hier kommt die Evaluation zu dem Urteil, dass Masken „theoretisch“ die Wahrscheinlichkeit einer Infektion reduzieren können, wobei sich die Sachverständigen auf Laborstudien an Hamstern(!) berufen. Die wenigen randomisierten, an Menschen durchgeführten Studien zum Thema, die praktisch durch die Bank keinen signifikanten Effekt durch das Tragen von Masken feststellen konnten (z.B. Bundgaard et al. 2021), finden im Bericht keine Berücksichtigung. Immerhin hält der Bericht einschränkend fest, dass der theoretisch bestehende Nutzen von Masken noch nicht notwendigerweise auch in der Praxis Bestand hat, da dies wesentlich davon abhänge, dass die Masken richtig sitzen und von den Anwendern korrekt getragen werden – ein Kriterium, über dessen praktische Gültigkeit sich jeder selbst ein Bild machen kann, der sich schon einmal aufmerksam in öffentlichen Verkehrsmitteln oder anderen Orten mit Maskenpflicht umgesehen hat. Diese Einschränkung fällt in der „coronistischen“ Bezugnahme auf den Evaluationsbericht abermals geflissentlich unter den Tisch. Was allein übrig bleibt, ist die auf das eigene Glaubens- und Wahnsystem zurechtgestutzte Schlussfolgerung, der Sachverständigenausschuss habe die Effektivität des Maskentragens bestätigt. Was übrigens interessanterweise bis heute keinerlei größere Aufmerksamkeit erfahren hat (vielleicht ist aber auch das einfach nur konsequent), ist der juristische Teil des Evaluationsberichts, der im Grunde die Rechtswidrigkeit sämtlicher Corona-Maßnahmen in Deutschland feststellt.
Das Magische, das den meisten Corona-Maßnahmen anhaftet und für ihre konkrete Umsetzung und Begründung durch einen großen Teil der Bevölkerung charakteristisch zu sein scheint, wird gerade an der beharrlichen Unterstellung einer Schutzwirkung ersichtlich, die empirisch durch nichts belegbar und in der Wahrnehmung der Menschen darüber hinaus auch unabhängig davon gegeben ist, ob und welche Resultate die Maßnahmen zeitigen bzw. nicht zeitigen: „Geht das Infektionsgeschehen zurück, waren es die Lockdowns (bzw. umgekehrt: sinkt es nicht, waren die Lockdowns nicht restriktiv genug), und verläuft ein ‚Impfdurchbruch‘ einigermaßen milde, muss das trotzdem der hohen Wirksamkeit der Impfung geschuldet sein.“ (Urban 2022b) Hier besteht im Grunde kein Unterschied mehr zum magischen Denken einer Person, die daran glaubt, sich beim Sturz über die Kellertreppe nur deshalb nicht alle Knochen gebrochen zu haben, weil sie ihren Glücks-bringer in der Hosentasche trug. Überboten wird dergleichen nur noch von besonders pathologischen Fällen, die selbst im Sommer im Freien mit einer Maske herumlaufen, wo diese sogar dann völlig entbehrlich wäre, wenn von einer relevanten Schutzwirkung des Masken-tragens ausgegangen werden könnte. Von den zahlreichen „Kollateralschäden“ der Maßnahmen (z.B. Lockdowns) ist dabei noch gar nicht die Rede. Diese verschwinden ebenfalls wie von Zauberhand oder haben zumindest nicht ursächlich etwas mit den Maßnahmen zu tun, weil – so scheint die (Un)Logik dahinter zu lauten – Maßnahmen zum „Schutz von Menschenleben“ keinen Schaden anrichten können (bzw. dürfen). Sind die Schäden schließlich nicht mehr zu ignorieren, werden diese zynisch als leider nicht vermeidbar abgetan („Es ist Pandemie!“) oder pauschal den „Corona-Opfern“ zugeschlagen und so quasi aus der Welt definiert. Möglicherweise gibt es auch noch einen anderen Grund dafür, dass am Glauben an die Maßnahmen und ihre Wirksamkeit umso starrsinniger festgehalten wird, je überwältigender die Hinweise auf deren Nutzlosigkeit und Schädlichkeit werden: Sich dies einzugestehen, würde schlicht die Rationalität einer Praxis in Frage stellen, die immerhin mehr als zwei Jahre lang propagiert und praktiziert wurde. Und wie können die ganzen Maßnahmen falsch sein, wo wir sie doch so lange angewendet haben? Dies würde also die Einsicht in die Verrücktheit des gesamten Maßnahmenregimes erfordern, und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, muss diese Einsicht mit allen Mitteln abgewehrt werden. Damit wird aber nur ein weiterer Schritt noch weiter weg von der Realität gemacht, und vermutlich ist genau das auch Sinn und Zweck der Übung.
Geradezu astronomische Höhen erklomm diese Realitätsverleugnung im Zuge der Impfdebatte. Wer nicht völlig mit Scheuklappen durchs Leben ging und darüber hinaus ein wenig von Impfungen verstand, konnte bereits vor Beginn der Impfkampagne Ende Dezember 2020 die vollmundigen Behauptungen von Politik und „Experten“, die Impfung würde wahrscheinlich nicht nur Infektionen, sondern auch die Weitergabe des Virus verhindern, als billigen PR-Trick durchschauen. Mittlerweile hat sich selbst ersteres grandios an der Realität blamiert. Zweiteres, die Verhinderung der Virustransmission, war schon damals als extrem unwahrscheinlich bis unmöglich einzuschätzen, da dies die Erzeugung einer sterilen Immunität voraussetzen würde, die mit einer intramuskulären Impfung gegen ein Atemwegsvirus schlicht nicht zu erzielen ist. Damit war im Grunde bereits damals jegliche Argumentationsgrundlage für die erst später einsetzenden Diskussionen über eine Impfpflicht nicht gegeben, da die Impfung bestenfalls einen Eigenschutz, aber keinen Fremdschutz gewähren konnte. Inzwischen hat sich auch herausgestellt, dass die Pharmafirmen in ihren klinischen Studien eine potentielle Verhinderung bzw. Reduktion der Virustransmission niemals systematisch untersucht haben.[17] Alle im Rahmen der Impfkampagne aufgestellten Behauptungen, die Corona-Impfung könnte die Übertragung des Virus verhindern, sind damit als dreiste Lügen entlarvt. Offen bleibt auch hier wieder nur die Frage, ob die für die Impfung werbenden Politiker und ihre „Experten“ in diesem Punkt bewusst gelogen oder ob sie ihre eigenen Lügen auch selbst geglaubt haben.
Auch dass die Impfung wenig bis gar nicht vor Infektionen schützt, konnte spätestens ab Juni 2021 jeder wissen, der einen Blick auf jene Länder riskierte, die beim „Impffortschritt“ zeitlich voraus lagen, insbesondere das „Weltlabor“[18] Israel. Zu dieser Zeit verzeichnete Israel bereits immer neue Rekordinzidenzen. Studien im Sommer und Herbst 2021 bestätigten schließlich, dass Länder mit hoher Impfquote keine niedrigeren, sondern tendenziell sogar höhere Infektionskurven verzeichneten (Subramanian/Kumar 2021; Kampf 2021). Mit der Durch-setzung der Omikron-Variante verfestigte sich dieser Trend auf noch höherer Stufenleiter und explodierten die Inzidenzen besonders in jenen Ländern mit den höchsten Impfquoten (Großbritannien, Dänemark, Portugal, Israel etc.). Inzwischen ist sogar schon fraglich, ob die Impfung, selbst (oder gerade?) nach Verabreichung einer oder mehrerer Booster-Impfungen, überhaupt einen (ohnehin nur zeitlich sehr begrenzten) Schutz vor „schweren Verläufen“ bietet, was nach dem bisherigen desaströsen Verlauf der Impfkampagne gewissermaßen das letzte verbliebene Argument ist, das Impfbefürworter noch geltend machen können. Konsultiert man z.B. die vom RKI veröffentlichten Berichte etwa ab zweitem Quartal 2022 über Hospitalisierung, Intensivbehandlung und Todesfälle aufgrund von COVID-19, differenziert nach Impfstatus, entsprechen die jeweiligen Verteilungen zwischen „Geimpften“ und „Ungeimpften“ in etwa ihrer tatsächlichen Verteilung in der Bevölkerung – logisch eigentlich unmöglich, wenn die Impfung eine signifikante Schutzwirkung entfalten sollte. Die Verrenkungen, die „Coronisten“ und aus voller Überzeugung in die Impfung Gelaufene seither aufführen müssen, um trotz der überwältigenden Evidenz für das nahezu vollständige Versagen der neuartigen genetischen Corona-Impfstoffe am Glauben an Sinn und Wirksamkeit der Impfung festhalten zu können, haben zuweilen kabarettistische Qualitäten:
„30- bis 40-jährige ‚durchgeimpfte‘ Personen, die auch ohne Impfung ein verschwindend geringes Risiko für einen schweren, geschweige denn tödlichen Krankheitsverlauf gehabt hätten, versichern einem nach überstandener Durchbruchsinfektion mit deutlichen Symptomen eines grippalen Infekts, dass sie diesen zwar unangenehmen, aber letztlich günstigen Verlauf nur der Impfung zu verdanken hätten, und sie möchten sich nicht vorstellen, wie die Sache ohne Impfung für sie ausgegangen wäre.“ (Urban/Uhnrast 2022c)
Selbst der „Impfskepsis“ völlig unverdächtigen Virologen sträuben sich bei so viel Unsinn die Nackenhaare.[19]
Die im Herbst 2021 voll einsetzenden Debatten über eine Impfpflicht spielten sich also, gemessen an der damals schon vorliegenden Daten- und Faktenlage, längst in einem völlig verrückten Paralleluniversum ab. Je weniger die Impfung Wirkung zeigte, desto mehr wurde in der Impfung der einzige „Ausweg aus der Pandemie“ gesehen. Und je weniger der Corona-Impfung gegenüber skeptische Menschen bereit waren, bei diesem Unsinn mitzumachen, desto mehr sollten sie zur Impfung geprügelt werden. Das postmoderne Krisensubjekt zeigte besonders im Zuge der Impfdiskussion – neben dem ohnehin ersichtlichen Realitätsverlust, ohne den solche Darbietungen ja gar nicht zureichend erklärbar sind – noch eine weitere, sehr charakteristische Eigenschaft: eine ausgeprägte Neigung zu autoritärer Ordnungs-macherei. Die Wert- und Wert-Abspaltungskritik diagnostiziert vor dem Hintergrund der finalen Krise und damit einhergehender gesellschaftlicher Verwilderungsprozesse schon seit längerem eine sich immer deutlicher abzeichnende Wiederkehr eines „messianisch-autoritäre[n] Denken[s], das Ordnung verspricht“ (Scholz 2006, S. 172) und damit der postmodernen Spaßgesellschaft mit ihrer „großen Verkasperung von fast allem und jedem“ (ebd., S. 159) letztlich ein Ende macht. Damit zusammen hängt auch ein fortschreitender „Extremismus“ einer von immer größeren Abstiegs- und Zukunftsängsten gepeinigten Mittelschicht (vgl. Scholz 2008). Die oben angesprochene Angst des postmodernen Krisensubjekts kulminiert also nicht nur in Realitätsverleugnung und -verlust, sondern auch in einem Hang zu autoritär-dezisionistischem Ordnungsdenken. Und wie gerade die Entwicklungen der jüngsten Zeit im Zusammenhang mit der Corona-Krise (aber auch dem Ukraine-Krieg) verdeutlichen, zeigt sich dieser „Extremismus der Mitte“ nicht nur, wie schon lange zu beobachten, in einem Vordringen von Rassismus, Antisemitismus, Sexismus usw., sondern kann offensichtlich auch in anderen Formen zutage treten und umfasst nicht zuletzt zunehmend auch solche Milieus, die man damit bislang weniger in Verbindung gebracht hatte, z.B. Personen aus einem linksliberalen und „grünen“ Umfeld. Gerade diese Milieus waren von Beginn der Corona-Krise an ein regelrechter Hort des „Coronismus“ in all seinen wahnhaften und autoritären Ausprägungen. Nicht weniges von dem, was von diesem Teil der Gesellschaft während der „Pandemie“ wahrzunehmen war, wäre vor nicht allzu langer Zeit noch umstandslos als faschistoid durchgegangen.
Es ist an sich schon ein Skandal, dass sich als „links“ verstehende Personen und Gruppen z.B. den Entzug bürgerlicher Freiheitsrechte, dem Nicht-Geimpfte wegen ihrer Ablehnung des staatlichen „Impfangebots“ in Ländern wie Deutschland und Österreich unterworfen waren (1G, 2G, in Österreich der sogenannte „Lockdown für Ungeimpfte“, 3G am Arbeitsplatz etc.), nicht als jenen „paradigmatische[n] Dammbruch“ (Wallat 2022, S. 126) wahrnahmen und problematisierten, der er nun einmal war. Noch skandalöser und ein wahrhaftiger Offenbarungseid ist jedoch, dass sie diese „Maßnahmen“ auch noch begrüßten und nicht selten sogar noch weitere Schikanen für „Ungeimpfte“ und Maßnahmengegner forderten. Doch selbst damit war noch nicht genug:
„Selbst die Selbstverständlichkeit, dass Ärzte jeden gleichbehandeln – den alkoholisierten Autofahrer, der gerade eine Familie in den Tod gerissen hat, genauso wie den Kettenraucher oder den asketischen Gesundheitsfanatiker – steht zur Disposition. Wer sich nicht impfen lässt, ist asozial und selbst schuld. Wenn er doch auf ärztliche Behandlung angewiesen sein sollte, dann sollte er diese als aus der Volksgemeinschaft der Impfwilligen ausgeschlossener wenigstens selbst bezahlen.“ (ebd., S. 126f.)
Zuweilen steigerte sich die Ranküne gegen die „unvernünftigen“ und „unsolidarischen“ Ungeimpften in eine fast schon an Vernichtungs-phantasien grenzende Straflust. Der sich als „links“ missverstehende Autor und Journalist Robert Misik twitterte etwa noch Ende Juli 2022 – also zu einem Zeitpunkt, wo nur noch Ignoranten und völlig verblendete Impfgläubige die geringe Wirksamkeit der Impfung (ebenso wie die sich häufenden Impfschäden) ausblenden konnten – über Kritiker der Impfung, man werde „solche ‚Menschen‘ [...] nicht mehr in die Gesell-schaft der Normalen integrieren können“. Man werde sich daher „überlegen müssen, wie man die Gesellschaft künftig vor diesen Subjekten schützen kann. Maßnahmenvollzug etc.“. Hier dürfe es „keine Denktabus geben“.[20] Der deutsche Soziologe Heinz Bude scheute selbst vor offener Nazi-Rhetorik nicht zurück, als er in einem Interview seinem Bedauern darüber Ausdruck verlieh, dass man die „Ungeimpften“ nicht nach Madagaskar verfrachten könne, und damit Reminiszenzen an den (letztlich nie realisierten) Madagaskar-Plan der Nationalsozialisten wachrief, der die Deportation europäischer Juden auf jene ferne Insel im Indischen Ozean vorsah.[21] Die ZDF-Komikerin Sarah Bosetti entmenschlichte „Ungeimpfte“ gleich überhaupt durch deren Vergleich mit einem „Blinddarm“, der für das „Überleben des Gesamtkomplexes“ ebenso entbehrlich sei wie die „Ungeimpften“ für die Gesellschaft, weshalb eine „Spaltung der Gesellschaft“ in Geimpfte und Ungeimpfte nichts „Schlimmes“, sondern im Gegenteil zu begrüßen sei.[22] Selbst (oder vielleicht gerade) Medizinethiker taten sich über den gesamten Zeitraum der Pandemie hinweg als Stichwortgeber für besonders hinterhältige und sadistische Schikanen gegen „Impfverweigerer“ hervor. So z.B. Wolfram Henn, der bereits vor dem Start der Impfkampagne im Dezember 2020 forderte, „Impfverweigerer“ sollten im Krankheitsfall auf ein Intensivbett verzichten müssen, um es nicht anderen (d.h. den „Braven“ und „Solidarischen“) wegzunehmen.[23] Oder Andreas Lob-Hüdepohl, seines Zeichens Theologe und Mitglied des deutschen Ethikrates, der auch Haftstrafen für „Impfverweigerer“ als ethisch nicht nur möglich, sondern notwendig erachtete.[24]
Realitätsverleugnung und -verlust paart sich hier mit autoritärem Konformismus und Moralismus sowie einer enthemmten Aggression, insbesondere gegen Abweichler und Kritiker. Eben diese bösartige Kombination aus Realitätsverlust und Autoritarismus macht die Situation im gegenwärtigen Stadium der finalen Krise so gefährlich. Immer größere Teile der Bevölkerung scheinen sich in einer soziopsychischen Disposition zu befinden, in der sie jederzeit wild um sich schlagen können und dabei auch immer weniger Hemmungen haben, in ihrer aggressiven Ordnungswut ggf. auch die Entrechtung und Vernichtung des Anderen in Kauf zu nehmen. Es ist Spekulation, wie kurz wir in den vergangenen zweieinhalb Jahren wieder vor einer Deportation von Menschen, diesmal „Ungeimpften“, standen (in Australien gab es immerhin „Quarantäne-Camps“). Es genügt zu wissen und ist schlimm genug, dass Deportationen überhaupt im Bereich des Denkmöglichen waren – und das waren sie – und von manchen, in ihrem Selbstverständnis ganz gewiss nicht „rechten“ Hardlinern des „Coronismus“ ohne Zweifel goutiert worden wären. All das verweist auf eine mittlerweile enorm angewachsene Instabilität des postmodernen Krisensubjekts im Allgemeinen und seiner westlichen Mittelschichtsexemplare im Besonderen. Diese sich aus Regression, Realitätsverlust sowie autoritär-dezisionistischer Aggression und Ordnungswahn zusammensetzende Instabilität können wir daher in ähnlicher Form im Kontext des Ukraine-Kriegs und den damit zusammenhängenden Reaktionen im Westen beobachten.
2. „Wir sind die Guten“ vs. der Verrückte in Russland: Wie man sich im eigenen Kaninchenbau verirrt
Es ist kein Zufall, dass diesem Beitrag als Ganzem wie auch einzelnen seiner noch folgenden Kapitel Zitate aus Karl Kraus’ Die letzten Tage der Menschheit vorangestellt sind. Bereits das gesellschaftliche Klima während der Corona-Krise erinnerte zuweilen an das, was historisch über die Situation im Sommer 1914 überliefert ist. Die mutmaßlich aus einem situationistischen Umfeld stammenden, anonymen Autoren eines Anfang 2022 in Frankreich veröffentlichten Manifeste conspirationniste fassen einige dieser Parallelen durchaus treffend so zusammen:
„Dieselbe erstickende, schamlose Propaganda – vorhersehbar, aber effektiv.
Derselbe himmelschreiende Verrat der Linken.
Dieselbe Einöde, die um diejenigen entsteht, die nicht nachgeben.
Derselbe Krieg, der dem Feind als Instrument zur Gleichschaltung der eigenen Bevölkerung erklärt wurde.
Dieselben vorgeschriebenen Lügen, nicht nur in den Zeitungen, sondern auch zwischen den Menschen selbst.
Dieselbe Berufung der Regierungen auf ‚Ausnahmezustände‘, um alle Rechtsgrundsätze zu untergraben.“
(Konspirationistisches Manifest 2022, S. 22)
Gerade das Versagen der Linken ist aus einer gesellschaftskritischen Perspektive die sowohl auffälligste als auch traurigste Parallele zu jenem 1914 angetretenen Marsch in die Barbarei – wenngleich dieses Versagen (damals wie heute) nicht aus heiterem Himmel kam. Denn der Verfall der Linken war schon Jahre vorher nicht nur absehbar, sondern bereits unmittelbar zu diagnostizieren. Und auch hier war es nicht zuletzt wieder die spätestens seit den 1990er Jahren rasch um sich greifende Postmodernisierung mit ihrer zersetzenden Wirkung auf die intellektuellen Kapazitäten und damit zwangsläufig auch auf die Kritikfähigkeit, die den Erosionsprozessen innerhalb der Linken ihren Stempel aufdrückte (vgl. Kurz 2013).
Vor dem Hintergrund jener Parallelen zur Situation von 1914 gibt es daher auch eine gewissermaßen immanente Parallele zwischen Corona-Krise und Ukraine-Krieg: Wer schon während der Corona-Krise „irrational vor lauter Rationalität [war], obskurantistisch vor lauter Wissenschaft, unsensibel vor Gefühlsduselei, krankhaft vor Hygienewahn, gehässig vor Menschenliebe, konterrevolutionär vor Progressivität, dumm, weil [man] sich für kultiviert hält, und böse, weil [man] im Lager der Guten stehen wollte“ (Konspirationistisches Manifest, S. 23), der gehört auch heute tendenziell zu denjenigen, die vor lauter Solidarität in blinden und menschenverachtenden Bellizismus ausbrechen, mit Waffen den Frieden bringen wollen und den Krieg gegen Russland mit der Verteidigung der „westlichen Werte“ legitimieren. Man könnte diese Kontinuität vielleicht etwas zugespitzt so zusammenfassen: Der im Krieg gegen das Virus besonders unter Linken herumgeisternden, realitätsfremden Chimäre „Zero Covid“ entspricht im Ukraine-Krieg das nicht minder fanatisch-destruktive Motto „Cancel Russia“.
Der bellizistische Geifer, der seit Ende Februar 2022 insbesondere Angehörigen linker und einstmals „friedensbewegter“ grüner Milieus im wahrsten Sinne des Wortes in der Schnauze steht, und das untrennbar damit verbundene, penetrant zur Schau getragene Wir-Gefühl, das wiederum mit einem stereotypen Gut-Böse- bzw. Freund-Feind-Denken einhergeht, könnte in der Tat kaum besser illustriert werden als durch die Figuren von Karl Kraus, die er in seinem nie fürs Theater gedachten Bühnenstück im blinden Kriegstaumel in das Gemetzel des Ersten Weltkrieges stolpern ließ. So etwa durch jenen Wiener, der zu Beginn des Stücks von einer Bank aus eine Ansprache hält, um die Umstehenden auf den angeblichen „Verteidigungskrieg“ einzuschwören, den die kriselnde Habsburgermonarchie zu führen habe – eine Ansprache, die ihm in seinem Eifer und vor lauter Begeisterung nicht nur grammatikalisch permanent entgleist, sondern auch unbe-absichtigt die verleugnete Realität des Krieges und seiner wahren Hintergründe durchschimmern lässt:
„Mir führn einen heilinger Verteilungskrieg führn mir! Also bitte – schaun Sie auf unsere Braven, die was dem Feind jetzt ihnere Stirn bieten, ungeachtet, weil sie das Vaterland rufen tut. Und darum sage ich auch – es ist die Pflicht eines jedermann, der ein Mitbürger sein will, stantape Schulter an Schulter sein Scherflein beizutrageen. Wiar ein Phönix stehma da, den s’ nicht durchbrechen wern, dementsprechend – mir san mir! Die Sache für die wir ausgezogen wurden, ist eine gerechte, da gibts keine Würschteln, und darum sage ich auch, Serbien – muß sterbien!“ (Kraus 2017, S. 20f.)
Das damalige „Serbien muss sterbien“ kann umstandslos ersetzt werden durch das bereits erwähnte „Cancel Russia“ oder den von der grünen deutschen Außenministerin Annalena Baerbock offen artikulierten Wunsch, „Russland zu ruinieren“[25] – und es wird unmittelbar ersichtlich, welche Verblendung und welch gefährlicher (Un)Geist heute wieder um sich greifen. Ein wesentlicher Unterschied zu 1914 besteht in der Gegenwart freilich darin, dass damals ein substantieller Anteil der begeisterten Bellizisten sich freiwillig zum Kriegsdienst meldete und selbst an der Front abschlachten ließ, während wir es heute fast ausschließlich mit „Wohnzimmergenerälen“ zu tun haben, die vom Sofa aus in den Krieg ziehen. Die von dort aus geführten „Operationen“ tragen dann Namen wie „Frieren gegen Putin“ (was wiederum umso leichter fällt, wenn man im gemütlichen, mit Holzofen oder anderen „erneuerbaren“ Energieträgern beheizten Einfamilienhaus sitzt), ansonsten unterstützt man emphatisch immer neue Waffenlieferungen in die Ukraine. Den unmittelbaren Kampf zur Verteidigung der westlichen Werte müssen die Ukrainer aber selber führen, das jedoch, wenn es sein muss, gerne auch bis zum letzten. Die einzigen Kampfhandlungen, in die die „solidarischen“ Bellizisten hierzulande selber und mit umso größerer Hingabe einsteigen, sind jene an der „Heimatfront“, gegen all die „Putinversteher“, „Kollaborateure“ und „Volksverräter“, also gegen den inneren Feind, der durch Kritik und „Desinformation“ die Verteidigungslinien nachhaltig schwächt und de facto „Wehrkraftzersetzung“ betreibt. Auch diese Gefechte werden aber in aller Regel nicht unmittelbar physisch ausgetragen, sondern ebenfalls von zuhause aus in Internetforen und „sozialen Medien“. So gesehen ist es eine Übertreibung, wenn an anderer Stelle davon die Rede war, der bereits im Zuge der Corona-Krise wiederentdeckte und beschworene „Volkskörper“ habe anscheinend „nur darauf gewartet, sich endlich in einem ‚echten‘ Krieg bewähren zu dürfen“ (Urban 2022a). Hierzulande bewährt sich nichts und niemand im real stattfindenden Krieg, sondern wie so vieles in der Welt des postmodernen Subjekts, spielt sich dieser Krieg (noch!) überwiegend im Virtuellen ab.[26] Freilich verschafft sich die Realität spätestens dann Geltung, wenn die Folgen des Krieges bzw. der westlichen Reaktionen darauf (Sanktionspolitik etc.) auch für die Bellizisten hierzulande am eigenen Leib spürbar werden (Inflation, Energiekrise, Flüchtlingskrise, Wirtschaftskrise). Dieser Punkt dürfte derzeit allmählich erreicht werden. Was dennoch richtig bleibt, ist der Befund des „Volkskörpers“, dessen Mechanismen in ihrer Funktionsweise und Wirksamkeit im Ukraine-Krieg ebenso eindrucksvoll beobachtet werden können wie bereits im Rahmen der Corona-Krise.
Wenn wir nun der Frage des Realitätsverlusts und dessen Phänomenologie im Kontext des Ukraine-Krieges nachgehen wollen, dann ist zunächst einmal festzuhalten, dass hier nochmals etwas schwerer zu bestimmen scheint, wie viel am westlichen Russland-Ukraine-Diskurs sowie generell an der westlichen Reaktion auf den Krieg, ihren Inkonsistenzen, Widersprüchen, aber häufig auch krassen Unsinnigkeiten, auf eine möglicherweise nur besonders plumpe Propaganda zurückzuführen ist, oder aber darauf, dass die Verantwortlichen im Westen mittlerweile tatsächlich jeden Bezug zur Realität verloren haben. Wie ich bereits in einem anderen, gemeinsam mit F. Alexander von Uhnrast verfassten Artikel gemutmaßt habe, ist diese Frage möglicherweise nicht einmal im Sinne eines schlichten Entweder-oder zu beantworten, sondern könnte durchaus beides gleichzeitig zutreffen:
„Allein der handwerkliche Dilettantismus, mit dem die westliche Propaganda über den Ukraine-Krieg und dessen Verlauf im Grunde schon seit Kriegsbeginn daherkommt, spricht entweder die Sprache völliger Verzweiflung oder einer verbreiteten, in ihrem Ausmaß inzwischen die weitgehende Dysfunktionalität westlicher Institutionen insgesamt anzeigenden Inkompetenz und Verblödung der verantwortlichen Personnage in Politik, Medien, Verwaltung, Wissenschaft und Militär. Auch hier ist sehr wahrscheinlich, dass beides gleichermaßen zutreffend ist. Dass die Urheber der westlichen Propaganda dieser offenkundig selbst auf den Leim gehen und selber die Lügen glauben, die sie in die Welt setzen, spricht jedoch abermals dafür, dass wir es mit einem weit vorangeschrittenen Zersetzungsprozess westlicher Intelligenz zu tun haben, der mittlerweile zu einem nahezu voll-ständigen Realitätsverlust der verantwortlichen Eliten sowie der die Propaganda häufig völlig kritiklos rezipierenden Bevölkerung geführt hat.“ (Urban/Uhnrast 2022a)
Es ist inzwischen kaum mehr zu übersehen, dass sich der Westen im Ukraine-Krieg in einer fatalen Eskalationsspirale verfangen hat, die wiederum auf einer krassen Fehleinschätzung sowohl des Gegners (Russland) als auch der eigenen geopolitischen Lage und nicht zuletzt der eigenen Fähigkeiten, insbesondere der militärischen, beruht. Der Westen unter Federführung der USA hat aus einer krisenimperialistischen Motivation heraus, um gegen den drohenden geopolitischen Abstieg anzukämpfen, die militärische Eskalation in der Ukraine provoziert, sich dabei aber offensichtlich auch massiv verspekuliert (siehe hierzu und im Folgenden ausführlicher Urban/Uhnrast 2022a). Die Idee (oder zumindest eine der Ideen) dürfte gewesen sein, Russland in einen langwierigen und zermürbenden Konflikt à la Afghanistan zu verstricken, um es auf diese Weise nachhaltig zu schwächen und zu destabilisieren – vermutlich mit dem Ziel, letztendlich einen „regime change“ durchzuführen und das Putin-Regime durch eine pro-westliche Regierung zu ersetzen. So geht der Westen, vor allem aber die USA, ja seit vielen Jahren besonders in Ländern der kapitalistischen Peripherie vor. Diese Strategie ist allerdings nicht nur nicht aufgegangen, sondern hat für den Westen in ein epochales Desaster geführt. Mittlerweile zeichnet sich ab, dass Russland in diesem Konflikt nicht nur militärisch die Vorteile auf seiner Seite hat, sondern auch im Wirtschaftskrieg, den der Westen seit Februar 2022 entfesselte, als Sieger hervorgehen könnte (vorausgesetzt dieser Krieg kennt angesichts der sich immer stärker zuspitzenden Krise des kapitalistischen Weltsystems überhaupt noch irgendwelche Gewinner). Jedenfalls aber ist klar ersichtlich, dass das Land mit den massiven westlichen Sanktionen sehr viel besser zurecht-kommt als von ihren Urhebern erhofft (wenngleich es in Russland derzeit eine Rezession gibt) und vor allem ungleich besser als der Westen, insbesondere die EU. Europa droht gar ein historisch beispielloser Deindustrialisierungsschub infolge einer irrationalen Sanktionspolitik und daraus resultierender massiver Preissteigerungen bei Öl und Gas sowie einer absehbaren Energieknappheit auf dem Kontinent. Allein die Tatsache derart gravierender Fehleinschätzungen, sowohl des geopolitischen und militärischen Gegners als auch des eigenen Pouvoirs, spräche im Grunde schon für eine beeindruckende Realitätsfremdheit, zumindest aber für einen groben Mangel an Kompetenz an den entscheidenden staatlichen und militärischen Schalthebeln und wäre für sich genommen als kräftiges Indiz für einen weit fortgeschrittenen Verfall des Westens und seiner Institutionen zu werten (dazu auch Uhlschütz 2023). Noch beeindruckender sind allerdings die Vehemenz und die Beharrlichkeit, mit der die epochalen Fehlschläge der geopolitischen westlichen „Strategie“ verdrängt und mit groteskesten Verrenkungen geleugnet und sogar zu einem immer noch größeren Desaster hocheskaliert werden, bis hin zu einem möglichen nuklearen Schlagabtausch.
Dass der Westen ein schwerwiegendes Problem mit dem Realitätsprinzip hat, die objektive Wirklichkeit aber gleichzeitig auch immer weniger und nur mit allergrößtem Aufwand zu verdrängen vermag, zeigt sich vielleicht am deutlichsten an den zahlreichen Projektionen, die den Russland-Ukraine-Diskurs faktisch seit Kriegsbeginn durchziehen. Psychoanalytisch gesehen sind Projektionen Abwehrmechanismen, die dazu dienen, sich von Ausschnitten der objektiven Realität, aber auch individuellen Eigenschaften, Wünschen und Selbstanteilen zu distanzieren und diese quasi von sich abzuspalten, indem sie auf andere Personen oder Gegenstände projiziert werden. Projektionen verweisen daher immer auf psychische Prozesse der Abwehr und Verleugnung. Im Hinblick auf den Ukraine-Krieg und die westlichen Reaktionen darauf beginnt dies im Grunde bereits mit der völlig verzerrten Wahrnehmung, ja geradezu Verdrehung der Vorgeschichte des Russland-Ukraine-Konflikts und der Ursachen für seine militärische Eskalation. In westlichen Darstellungen scheint es durchweg so, als habe der Konflikt genau am 24. Februar 2022 mit einem praktisch aus heiterem Himmel kommenden „Überfall“ Russlands auf die „unschuldige“ und noch dazu demokratische Ukraine begonnen. Schon die Einschätzung der Ukraine als „demokratisch“ kündet entweder von völligem Realitätsverlust oder einer Propaganda, die sich mittlerweile auch um Minimalanforderungen hinsichtlich Konsistenz und Komplexität eines „Narrativs“ kaum noch schert – oder beides. Vielleicht zeugt es aber auch nur von einem inzwischen völlig heruntergekommenen Demo-kratieverständnis, was einen allerdings angesichts des kurzen Prozesses, der „westlichen Werten“ wie „Demokratie“, „Freiheit“ und „Selbst-bestimmung“ bereits im Rahmen der Corona-Krise auch und gerade durch ihre bisher leidenschaftlichsten Apologeten gemacht wurde, im Grunde nicht mehr allzu sehr verwundern sollte. Jedenfalls ist die Ukraine um keinen Deut „demokratischer“ als Russland, das von den meisten hierzulande für eine „Autokratie“, geführt von einem „neuen Hitler“, gehalten wird. Ihr demokratischer Status ist eher sogar noch fraglicher als im Fall Russlands, angesichts der Tatsache, dass die Ukraine zu den korruptesten Ländern der Welt gehört, sich seit vielen Jahren praktisch in der Hand einiger Oligarchen befindet und de facto ein „gescheiterter Staat“ ist (dazu Bedszent 2014a, 2017; ebenso Bedszent 2014b, S. 126-162), gar nicht erst zu sprechen von dem mit Neonazis durchsetzten ukrainischen Staats- und Militärapparat. Dass der Ukraine-Krieg von westlicher Seite auch noch ständig zu einer „Verteidigung der westlichen Werte“ stilisiert wird, macht also wahr-scheinlich nur deutlich, wie wenig der Westen seine eigenen „Werte“ (die global gesehen ohnehin nie viel mehr als Elend und Zerstörung gebracht haben) selbst noch ernst nimmt.
Noch abgehobener von der Realität als das Narrativ von der „demokratischen“ Ukraine, deren Verteidigung zugleich eine der „westlichen Werte“ überhaupt sei, ist aber, wie gesagt, die westliche Version über die (geopolitischen) Ursachen des Krieges. Praktisch von Anfang an und zum Teil sogar schon im Vorfeld des Krieges wurde im Westen von einer angeblichen Rückkehr des „Sowjetimperialismus“ und/oder einem „großrussischen“ Expansionsdrang phantasiert.[27] Manche scheinen sogar ernsthaft zu glauben, Putin hätte vor, nach der Ukraine auch in mittel- und westeuropäischen Staaten einzufallen. Nun lässt sich freilich nicht vorhersehen, welche Pläne der Kreml mittlerweile, angesichts des bisherigen Verlaufs des Krieges, verfolgt, etwa wenn es um eine Neuordnung der „europäischen Sicherheitsarchitektur“ geht, sobald die Angelegenheiten in der Ukraine im Sinne Russlands „geregelt“ sein werden (siehe das russische Ultimatum an den Westen vom November 2021). Es spricht aber bislang wenig dafür, dass die ursprünglichen Pläne signifikant von dem abwichen, was Moskau stets verlautbarte: eine „militärische Spezialoperation“ zur „Befreiung“ des Donbass und zur „Demilitarisierung“ und „Entnazifizierung“ der Ukraine. Die Vorstellung eines russischen Eroberungsfeldzuges gen Westen, mit der der „heilige Verteidigungskrieg“ für die Ukraine und die „westlichen Werte“ legitimiert wird, hat also entweder rein propagandistischen oder aber halluzinatorischen Charakter und trägt darüber hinaus alle Züge einer handfesten Projektion: Hält man sich an die historische Faktenlage, war es in den vergangenen 30 Jahren vor allem der Westen, der auf Expansionskurs nach Osteuropa war. Zuerst waren es Großunternehmen, die ab 1990, nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus, massiv in Richtung Osten expandierten. Darauf folgten später EU und NATO, um das wirtschaftlich eroberte Terrain zu sichern. Was die Ukraine betrifft, wird ihr seit Jahren eine NATO-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt und ist eine solche von der Ukraine im Jahr 2019 sogar als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen worden – ungeachtet aller unmissverständlichen Signale aus Moskau seit 2008, dass ein NATO-Beitritt eines Landes unmittelbar vor der Haustür Russlands inakzeptabel wäre. Dies wussten bis vor kurzem sogar Personen, die heute tendenziell zu den Kriegstreibern gehören und solche Fakten als „pro-russische Propaganda“ denunzieren. So sagte etwa der heutige, kürzlich in eine zweite Amtszeit gewählte österreichische Bundespräsident und langjähriger Bundesvorstand der österreichischen Grünen, Alexander van der Bellen, im Jahr 2015 in einem Interview noch Folgendes:
„Als 1989 der eiserne Vorhang fiel und die Wiedervereinigung Deutschlands bevorstand, ist Russland zugesichert worden, dass die NATO-Grenze nicht weiter nach Osten verschoben wird. Das geht aus US-Quellen hervor. Die Russen haben aber das Pech, dass das niemals schriftlich vereinbart wurde. Und was ist passiert? Die NATO-Ostgrenze verläuft heute direkt an den Grenzen zu Russland. Ich kann schon verstehen, dass das ein Stirnrunzeln in Russland hervorruft. Wenn Sie 200 Jahre zurückgehen, woher kamen alle Invasoren? Alle durch die Ukraine. Deswegen bin ich sehr erbost, wenn gesagt wird, dass von der Ukraine keine militärische Gefahr ausgeht. Ja natürlich, von der Ukraine selbst nicht, aber dass es sich um ein strategisches Vorfeld Russlands handelt, ist doch klar.“[28]
Selbst zur russischen Annexion der Krim im März 2014 äußerte er sich aus heutiger Sicht erstaunlich differenziert:
„Aber man muss schon auch sehen, dass im Vorfeld der Krim-Annexion nicht nur von einem EU-Beitritt, sondern auch von einem Nato-Beitritt der Ukraine die Rede war. Russland wäre vom Schwarzen Meer de facto abgeschnitten gewesen. Und die russischen Häfen sind nun einmal auf der Krim. Dass Putin dem zuschaut, konnte kein ernsthaft realpolitisch denkender Mensch erwarten. Abgesehen davon, dass die Krim eigentlich immer russisch war.“[29]
Solche Aspekte der Vorgeschichte des Russland-Ukraine-Konflikts sind mit dessen militärischer Eskalation im Februar 2022 nicht irrelevant oder gar unzutreffend geworden. Dennoch unterstellt van der Bellen Personen, die heute ähnliche Ansichten vertreten oder gar – horribile dictu – die westliche Sanktionspolitik in Frage stellen, mit Putin zu „kollaborieren“.[30]
Soweit es die eigentliche Eskalation des Konflikts zu einem offenen Krieg betrifft, so wurde diese ebenfalls maßgeblich vom Westen, insbesondere den USA, provoziert. Dies geschah in zwei Stufen: 2014 führten die USA einen sogenannten „regime change“ in der Ukraine herbei (nachdem ein erster Versuch 2004 noch im Sande verlaufen war). Im Westen wie auch in der Ukraine selbst gilt dieser politische Umsturz als eine Art Revolution einer nach „Demokratisierung“ strebenden Volksbewegung („Euromaidan“), faktisch handelte es sich um einen Putsch gegen die pro-russische Regierung von Viktor Janukowitsch, nachdem sich diese Ende 2013 geweigert hatte, ein geplantes Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen. Freilich fällt die Darstellung der Euromaidan-Bewegung „als vom Westen ‚finanzierte[r]‘ Umsturz“, wie so vieles andere auch, offiziell unter „russische Propaganda“ (siehe etwa den Wikipedia-Eintrag zum Euromaidan). Fakt ist allerdings, dass durch den „regime change“ in der Ukraine die heute eskalierende Konfliktsituation in dieser Form überhaupt erst hergestellt wurde: Im Osten der Ukraine entbrannte ein offener militärischer Konflikt, in dessen Zuge sich Teile des Landes mit russischsprachiger Mehrheitsbevölkerung (Lugansk und Donezk) abspalteten und sich als „Volksrepubliken“ unter russischem Protektorat proklamierten. Das sogenannte Minsker Abkommen, das diesen de facto Bürgerkrieg beenden sollte und u.a. die Zusicherung eines Sonderstatus für die Separatistengebiete Lugansk und Donezk vorsah, wurde wohl von beiden Seiten, aber vor allem von der Ukraine nicht oder nur teilweise umgesetzt. Spätestens seit dem „regime change“ im Jahr 2014 wurden darüber hinaus die ukrainischen Streitkräfte nachweislich mit Naziregimentern angereichert und vom Westen massiv hochgerüstet und modernisiert. Noch im Vorfeld des Krieges weigerte sich die NATO strikt, Neutralitätsgarantien für die Ukraine abzugeben. Zur endgültigen Eskalation des Konflikts kam es schließlich, als im Februar 2022 die USA durch die Vorbereitung einer ukrainischen Großoffensive Russland zum Präventivschlag verleiteten. Dass es entsprechende Vorbereitungen gab, ist durch Aufzeichnungen der OSZE-Beobachtermission belegt (OSZE 2022).
Auch hier muss die Frage letztlich offen bleiben: Handelt es sich bei der offenkundigen Verdrehung der Ursachen des Krieges zu einem einseitigen und bösartigen Gewaltakt Russlands bloß um Propaganda, wie sie gerade für Kriegszeiten ja alles andere als untypisch ist, oder liegt hier abermals eine grotesk verzerrte Wahrnehmung der Realität vor? Was für die Propaganda-Option und eine dahinterstehende Strategie spricht, ist die außergewöhnlich rasche und einheitliche Reaktion des Westens auf den Angriff Russlands. Bei keinem Krieg zuvor – und war dieser auch noch so völkerrechtswidrig – wurde derart konzertiert und zügig ein derart breites Portfolio an Maßnahmen und Sanktionen gegen ein einzelnes Land zur Anwendung gebracht. Was dagegen spricht, ist, dass die Verantwortlichen in Politik, Medien, Wissenschaft usw. den Unsinn, den sie verbreiten, allem Anschein nach überwiegend tatsächlich glauben. Und der Schiffbruch, den die westliche „Strategie“ samt ihrer Propaganda in diesem Krieg seit Monaten erleidet, kündet auch nicht unbedingt davon, dass das westliche Vorgehen auf dem festen Boden der Realität steht, auf den sie aber wohl nach und nach umso schmerzhafter zurückgeholt werden wird.
Von vergleichbarer Qualität wie die offizielle westliche Einschätzung der Kriegsursachen ist auch die Einschätzung des geopolitischen und militärischen Gegners. Hier befleißigt man sich gleich überhaupt, wenn man so will, einer besonders vulgären Form des methodologischen Individualismus, indem der ganze Krieg mitsamt seinen Ursachen auf eine einzige Person reduziert wird: Wladimir Putin. Dieser wird wiederum nicht bloß als das leibhaftige Böse dämonisiert – was soweit noch ein einigermaßen typisches Merkmal jeder Kriegspropaganda darstellt (vgl. Morelli 2004) –, sondern darüber hinaus auf geradezu küchenpsychologischem Niveau pathologisiert. Putin ist demnach ein Psychopath und schlicht verrückt geworden.[31] Dieses Bild von Putin als Wahnsinnigem hat sich übrigens auch zu einem beliebten Totschlagargument der Bellizisten oder der die Kriegspropaganda zumindest kritiklos Schluckenden verselbständigt. Weist man diese in der Diskussion etwa auf die krasse Unlogik in der westlichen Kriegsberichterstattung hin, so z.B. mit Blick auf die zum Teil bis heute virulenten Behauptungen, Russland beschieße das von ihm besetzte AKW in Saporischschja selbst oder Russland habe die Nord-Stream-Pipelines zerstört, und fragt nach einer halbwegs schlüssigen Rationale für ein derartiges russisches Vorgehen, erhält man in nicht seltenen Fällen die lapidare Antwort: „Putin ist halt verrückt!“ Dieses „Argument“ erfüllt in Diskussionen über den Ukraine-Krieg eine ähnliche Funktion wie das obligate „Es ist Pandemie!“ während der Corona-Krise. Damit kann man sich mit Leichtigkeit von jeder Auseinandersetzung mit den Widersprüchen und Inkonsistenzen, ja oftmals auch haarsträubenden Logikbrüchen des vorherrschenden Narrativs dispensieren und auf diese Weise nicht nur unangenehme kognitive Dissonanzen vermeiden, sondern auch und gerade die krampfhaft betriebene Verleugnung der Realität aufrechterhalten.
Nun wäre für sich allein genommen das unfreiwillig komische westliche Bild von „Mad Vlad“ noch lange kein Indiz für einen im Westen virulenten Realitätsverlust, sondern könnte einfach als der Unsinn abgetan werden, der es ist – zumal in einer derart kulturindustriell verseuchten Gesellschaft wie der westlichen, deren Vorstellungswelt in etwa der eines James-Bond-Films entspricht, in dem es ja auch immer irgendeinen besonders bösen und wahnsinnigen Super-Schurken geben muss, und deren Bild von Krieg und Kriegsführung sowie deren Glaube an die militärische Überlegenheit des Westens sich ebenfalls primär aus den kulturindustriellen Erzeugnissen Hollywoods speisen (nicht umsonst nennt sich Hollywood selbst eine „Traumfabrik“). Vor diesem Hintergrund kann es dann übrigens auch nur noch bedingt überraschen, dass selbst westliche Militärexperten häufig ein extrem verzerrtes und unrealistisches Bild vom militärischen Pouvoir des Westens und insbesondere der USA haben und die US-Militärmaschine für das Maß aller Dinge halten, während diese in Wahrheit mittlerweile, nicht zuletzt (waffen-)technologisch, weitgehend heruntergekommen zu sein scheint (vgl. Martyanov 2018) – was sich im aktuellen Krieg ja durchaus eindrucksvoll bestätigt.[32] Insofern wären wir dann doch wieder beim Thema Realitätsverlust angelangt. An der westlichen Psychopathologisierung Putins erweist sich die beharrliche Verleugnung der Realität aber vor allem dadurch, dass diese abermals alle Kriterien einer lehrbuchreifen Projektion erfüllt. Nach dem hochgradig pathologischen Corona-Wahn der vergangenen zweieinhalb Jahre, der in seinen stärksten und absurdesten Ausprägungen vor allem den Westen heimgesucht hat (und in Ländern wie Deutschland ja sogar heute noch sein Unwesen treibt), ist dieser Westen wahrlich die denkbar unglaubwürdigste Instanz, wenn es darum geht, den Geisteszustand anderer zu beurteilen. Selbst wenn man den gemeingefährlichen Irrsinn der Corona-Zeit aus der Betrachtung ausklammert und sich ausschließlich auf das Verhalten westlicher Akteure im Ukraine-Krieg beschränkt, fällt es nicht gerade leicht, die Frage zu beantworten, wer von allen Beteiligten wohl am meisten den Verstand verloren hat. Im Vergleich zu den durch und durch irrationalen Reaktionen auf den Krieg, die vor allem in einer wenig wirksamen, dafür aber in hohem Maße autodestruktiven Sanktionspolitik Gestalt angenommen haben, und dem teilweise an das Verhalten trotziger Kleinkinder erinnernde Gebaren westlicher Funktionseliten[33], erscheint ein Wladimir Putin beinahe schon wie die Vernunft in Person, zumindest aber finden sich im Verhältnis zu dem, was Putin sagt, und dem, was er tut, immerhin noch deutliche Spuren einer wie auch immer bornierten Binnenrationalität – etwas, wovon im Westen längst keine Rede mehr sein kann.
Der projektive Charakter der westlichen Darstellungen zum Ukraine-Krieg im Allgemeinen und zu Putin im Besonderen ließe sich an unzähligen weiteren Beispielen demonstrieren. Um die Aufzählung nicht ausufern zu lassen und den/die Leser/in nicht unnötig zu langweilen, seien im Folgenden nur noch einige „Gustostückerl“ herausgegriffen: Ebenfalls unter die im Westen besonders beliebte Rubrik „Putin ist verrückt“ gehört z.B. die unschwer als Projektion zu identifizierende Behauptung, es sei Putin (und nicht der Westen), der dazu übergegangen sei, „seine eigene Propaganda zu glauben“[34]. Das Bemerkenswerte an dieser Aussage ist, dass sie von einem langjährigen, renommierten Mitarbeiter der CIA stammt, einer jener westlichen Institutionen, deren Propaganda sich seit Monaten permanent an der Realität blamiert. Unter dem Gesichtspunkt der Projektion ist übrigens auch das im selben Text skizzierte Persönlichkeitsprofil Putins aufschlussreich: Putins „moralischer Kompass“ sei geleitet durch „Ego, Überleben, Gier und Ehrgeiz“ – alles Eigenschaften, die auf westliche Charaktermasken freilich in keiner Weise zutreffen, schon gar nicht für Angehörige der Funktionseliten.
Oder: Putin droht mit Nuklearschlägen und treibt so die Welt an den Rand eines Atomkriegs.[35] Der Westen tut so etwas selbstverständlich nie und nimmer – egal was Figuren wie z.B. Liz Truss oder Joe Biden von sich geben. Truss hatte bereits im August 2022, noch als Außenministerin und vor ihrer inzwischen schon nach wenigen Wochen recht unrühmlich zu Ende gegangenen Amtszeit als britische Premierministerin, verlautbart, sie wäre selbst auf die Gefahr „globaler Auslöschung“ zum Einsatz von Nuklearwaffen bereit.[36] Biden wiederum redete ein nukleares „Armageddon“ herbei, das nämlich vor allem dann bzw. deshalb drohe, wenn bzw. weil Russland am ukrainischen Schlachtfeld zu scheitern drohe.[37] Angesichts des tatsächlichen Verlaufs des Krieges riecht zwar auch das wieder sehr verdächtig nach Projektion. Aber selbst, wenn es nicht so wäre: Der Westen ist schon allein durch seine beharrliche Eskalationspolitik maßgeblich daran beteiligt, den Krieg in Richtung eines möglichen nuklearen Schlagabtausches zu treiben.[38] Wen interessiert es, dass Putin nie davon gesprochen hat, in der Ukraine taktische Nuklearwaffen einsetzen zu wollen, und seine Warnungen an den Westen allein den Fall eines Angriffs gegen russisches Territorium betrafen? Oder dass selbst eine Sprecherin des Weißen Hauses einräumen musste, dass Bidens Armageddon-Warnung keinerlei „new intelligence from the Ukraine conflict“ reflektiere und es keinerlei Hinweise darauf gebe, dass Russland irgendwelche Vorbereitungen für einen Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine treffen würde?[39]
Überhaupt das beständige „Russland verliert“- und „Putin ist verzweifelt“-Geraune: Würde man solche westlichen „Einschätzungen“ beim Wort nehmen, müsste Russland bereits vor Monaten die Waffen gestreckt und bedingungslos kapituliert haben. Allein die seit Beginn des Krieges fast schon gebetsmühlenartig wiederholten Prophezeiungen, Russland würden demnächst die Munition und die Raketen ausgehen[40], haben allerspätestens mit den Anfang Oktober 2022 einsetzenden russischen Luftangriffen auf Kiew und andere ukrainische Städte den Beweis geliefert, dass im Westen offenbar niemand – inklusive der medial herumgereichten Politik- und Militär-„Experten“ – über fundierte Kenntnisse zu Russland, geschweige denn über dessen militärische Kapazitäten verfügt. Auch das kann und muss wahrscheinlich unter Realitätsverlust (oder Inkompetenz – oder beides) subsumiert werden. Absurdes Highlight dieser nur als desperat zu bezeichnenden Propaganda war eine im Mai 2022 lancierte Story, der zufolge die Russen für Waschmaschinen und Geschirrspüler vorgesehene Computerchips aus Verzweiflung in ihre Raketen und Marschflugkörper einbauen.[41] Wie die Dinge tatsächlich liegen und dass es in Wahrheit der Westen ist, der der russischen Kriegführung kaum etwas entgegenzusetzen vermag, wird nicht zuletzt an der geringen Halbwertszeit der in regelmäßigen Intervallen in westlichen Medien abgefeierten und am Ende beeindruckend wenig am Kriegsverlauf ändernden „game changers“ ersichtlich. Hier besteht übrigens abermals eine Parallele zwischen Ukraine-Krieg und Corona-Krise, und zwar sowohl auf PR-Ebene als auch mit Blick auf die realen Effekte der im Westen ausgetüftelten „Strategien“: Bereits die Corona-Impfung wurde in der „Pandemie“ vollmundig als „game changer“[42] gepriesen und hat sich letztlich als weitgehend unwirksam, dafür aber relativ nebenwirkungsreich erwiesen. Dies scheint inzwischen westlicher Standard geworden zu sein und reflektiert vermutlich die gegenwärtige Neigung des (westlichen) Kapitals zur profitratensteigernden „Sinnlosproduktion“ (vgl. Hüller 2019, S. 187), über die bereits in der Einleitung dieses Beitrags spekuliert wurde. Deren Ziel scheint zu sein, großen Kapitalfraktionen und Leitsektoren nicht zuletzt mithilfe horrender staatlicher Subventionen ebenso horrende Profite zu verschaffen, auch wenn die daraus hervorgehenden Produkte auf stofflicher Ebene weitgehend ohne Nutzen, dafür aber von einem tendenziell steigenden Schadenspotenzial für Mensch und Natur sind. Und so scheint mittlerweile auch auf militärischem Gebiet zunehmend zu gelten: viel PR, horrend teuer, aber funktioniert nicht (zumindest nicht gegen ernst zu nehmende Gegner).[43]
Nehmen wir als Beispiel das mobile Mehrfachraketenwerfer-Artilleriesystem HIMARS, mit dem die USA seit Sommer 2022 die Ukraine beliefern, und das, den Prophezeiungen von Medien und „Experten“ zufolge, das „Spiel“ schon längst zugunsten der Ukraine gedreht haben sollte.[44] Obwohl die ukrainische Armee jeden Monat Hunderte von HIMARS-Raketen abfeuert, gelingt es ihr jedoch nur sehr begrenzt, dem russischen Militär größeren Schaden zuzufügen, da die russische Luftabwehr, wie es scheint, die meisten dieser Raketen mittlerweile vom Himmel holt. Die Menge an Raketen, die die Ukraine dabei verschießt, übersteigt bei weitem alles, was die USA in derselben Zeit nachproduzieren können. Die kürzlich wieder einmal zu einer bevorstehenden Kehrtwende im Ukraine-Krieg hochgejubelte Ankündigung der USA, die HIMARS-Produktion in den kommenden fünf Haushaltsjahren auf bis zu 96 Systeme pro Jahr hochzufahren, verweist vor diesem Hintergrund abermals auf die inzwischen hinlänglich bekannte verzerrte Wahrnehmung westlicher Beobachter – nähme sich eine Produktionserhöhung in diesen Dimensionen doch wie der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein aus.[45] Wahrscheinlich sind hier die bereits im Corona-Kontext thematisierten Schwächen hinsichtlich der Vermittlung von Quantitativem und Qualitativem in Rechnung zu stellen: Offenbar kann niemand mehr rechnen, geschweige denn verschiedene Zahlen in ein adäquates Verhältnis zueinander setzen. Andernfalls wäre jedem klar, dass die ins Auge gefassten Produktionssteigerungen – so sie überhaupt im angekündigten Ausmaß stattfinden werden – nicht ausreichend wären, um der Ukraine einen „spielentscheidenden“ Vorteil zu verschaffen; einmal ganz davon abgesehen, dass die zusätzlichen HIMARS nicht schon morgen oder übermorgen produziert, geliefert und damit einsatzbereit sein werden. Auch insgesamt können die USA an Munition gar nicht so viel liefern, wie die Ukraine innerhalb weniger Wochen und Monate verbraucht, sodass inzwischen sogar schon die eigenen Bestände der USA zusehends zur Neige zu gehen drohen.[46] Etwas überspitzt könnte man es so ausdrücken, dass die USA durch die permanenten Waffenlieferungen an die Ukraine kräftig an ihrer eigenen „Demilitarisierung“ arbeiten. Die einzigen, die von diesem Irrsinn profitieren, sind Rüstungskonzerne wie Lockheed Martin, der Hersteller des besagten HIMARS-Systems, denn die geringe Wirkung dieses zugleich extrem überteuerten Waffensystems[47] hindert das US-Verteidigungsministerium bislang nicht daran, immer neue Verträge über immer neue Lieferungen mit dem Konzern abzuschließen. Auch hier ist die Parallele zum Corona-Spektakel kaum zu übersehen, nur dass dabei die Profiteure dieser staatlich organisierten Geldverbrennung aus der Pharmaindustrie kommen und Pfizer oder Moderna heißen.
Inzwischen müssen die USA in der Ukraine bereits die Gehälter von Beamten und Lehrern bezahlen[48], und die ukrainischen Streitkräfte sind bereits dermaßen ausgeblutet, dass sogar schon Über-45-Jährige eingezogen werden.[49] Wie selbst die ukrainische Regierung zugeben muss, haben russische Raketen- und Drohnenangriffe mittlerweile weite Teile der Energieinfrastruktur des Landes beschädigt und liegen Städte wie Kiew de facto im Dunkeln[50] – aber der Westen bleibt beharrlich bei seiner Überzeugung: Die Ukraine gewinnt und Russland verliert. Die bittere Wahrheit, die in solchen Halluzinationen durchschimmert, ist, dass die Ukraine gewinnen muss, weil deren Niederlage – so auch NATO-Generalsekretär Stoltenberg in bemerkenswerter Offenheit[51] – gleichbedeutend mit einer Niederlage der NATO wäre. Umso schlimmer für die Ukraine, denn diese wird am Ende dieses westlich-russischen Stellvertreterkrieges vermutlich komplett zerstört sein, egal wie er ausgeht.
Angesichts der epochalen Fehlschläge, die der Westen im Krieg mit Russland im Prinzip seit dessen Eskalation im Februar 2022 am laufenden Band einfährt, kann es daher ebenfalls nur mit Realitätsverleugnung und einer entsprechenden Projektionsleistung erklärt werden, wenn ausgerechnet die geopolitisch absteigenden und darüber hinaus offenbar auch militärisch und geheimdienstlich ziemlich heruntergekommenen USA einen Verfall auf Seite der Russen erkennen wollen und zum Abgesang auf den geopolitischen Gegner anstimmen. Auch hier sei wieder exemplarisch eine bereits Ende März veröffentlichte Einschätzung aus der Feder jenes an früherer Stelle zitierten CIA-Experten herangezogen, da diese stellvertretend für den bis weit ins westliche „Expertentum“ vorgedrungenen Realitätsverlust, aber auch für die damit in Zusammenhang stehende westliche Hybris zu stehen vermag:
„Russian mystique is gone. Mr. Putin has proved his country is the declining power that the best-informed Russia watchers claimed it was. Fewer pundits will wax poetic over Mr. Putin’s cunning and strategic brilliance. He might have been a capable operations officer during his KGB career, but he clearly missed the classes on self-awareness and counterintelligence. The more he tightens the security screws and covers Russia’s window to the world, the more likely those he depends on will turn against him.“[52]
Das sagt wohlgemerkt ein Repräsentant der Intelligence eines Staates, der seinen Kontrahenten im provozierten Stellvertreterkrieg offenkundig massiv unterschätzt und vor allem dessen strategische Ziele völlig falsch eingeschätzt hat, und dem inzwischen sogar schon langjährige und geostrategisch wichtige Verbündete von der Fahne zu gehen drohen, so z.B. aktuell Saudi-Arabien und die Türkei.[53]
Es lässt sich freilich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorhersehen, wie der Krieg in den kommenden Monaten weiter verlaufen wird. Worüber nach den Ereignissen der vergangenen Monate allerdings kaum noch Zweifel bestehen kann, ist, dass sich der Westen mit seiner geopolitischen „Strategie“ und seiner beständigen Eskalationspolitik in der eigenen Sackgasse verirrt hat. Im bereits erwähnten, gemeinsam mit F. Alexander von Uhnrast verfassten Beitrag zum Ukraine-Krieg haben wir in diesem Zusammenhang auf das im Englischen verfügbare geflügelte Wort „down the rabbit hole“ rekurriert (Urban/Uhnrast 2022a). Dies ist eine Anspielung auf Alice im Wunderland, dessen Protagonistin ja dadurch ins Wunderland gelangt, dass sie dem weißen Kaninchen in dessen Bau folgt, und wird verwendet für Situationen, in denen jemand eine falsche, potentiell schädliche Richtung einschlägt und damit in eine immer ausweglosere Lage gerät. Uns schien dies eine außerordentlich treffende Beschreibung der Situation zu sein, in der sich der Westen aktuell befindet – freilich mit dem Unterschied, dass am Ende jenes Kaninchenbaus wohl die Realität stehen wird und kein geopolitisches „Wunderland“. Die gemeinen Mitläufer und Kriegstreiber hierzulande werden sich freilich auch dann noch einzureden versuchen, dass die „Sache, für die sie ausgezogen wurden“ eine gerechte war – auch da kann und wird es wohl, wie schon bei Karl Kraus, „keine Würschteln“ geben.
Zu Teil 2: Systemische Lebensmüdigkeit – Die "Pandemie" als krisenkapitalistische Abrissbirne
Literatur
Anton, Andreas/Schink, Alan (2021): Der Kampf um die Wahrheit. Verschwörungstheorien zwischen Fake, Fiktion und Fakten, München.
Bedszent, Gerd (2014a): Die Ukraine – Dualität von Nationalismus und Staatszerfall, in: exit! Krise und Kritik der Warengesellschaft 12, S. 176-184, online auch auf wertKRITIK.org
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Endnoten
[1] Zitiert nach der erstmals 1930 veröffentlichten Bühnenfassung des Autors (Kraus 2017, S. 128)
[2] „Rudolf Striedinger: General im Krieg gegen das Coronavirus“, derstandard.at (19.12.2021)
[3] In den USA macht die „Gesundheitsindustrie“ heute rund 20% des BIP aus. Schon allein vor diesem Hintergrund könnte verständlich werden, warum eine solche „Aktion“ zum Hochjagen der Profitraten ausgerechnet von diesem Sektor ausging. BioNTech allein war im Jahr 2021 für fast ein Fünftel des deutschen Wirtschaftswachstums verantwortlich. Gerade im Zusammenhang mit den neuartigen mRNA-Impfstoffen ist wahrscheinlich auch die Tatsache nicht zu unterschätzen, dass die Entwicklung der mRNA-Technologie seit Jahren horrende Milliardenbeträge verschlingt, ohne dass die Konzerne bislang ein marktreifes Produkt vorweisen konnten. Corona war vor diesem Hintergrund die perfekte Gelegenheit, endlich ein return on investment zu erzwingen. Dies wäre auch eine Erklärung dafür, dass sich besonders im Westen die Impfstoffentwicklung von Anfang an auffällig stark auf die neuartigen mRNA-Plattformen kaprizierte, während klassische Impfstofftechnologien eine extrem marginale Rolle spielten. Die gigantische Ausmaße annehmende Geldverbrennung zugunsten der „Gesundheitsindustrie“ im Rahmen der „Pandemiebekämpfung“ erschöpft sich freilich bei Weitem nicht in der Massenimpfkampagne. Hierzu zählt auch die ganze Masken- und Testindustrie, die während der Corona-Krise aus dem Boden gestampft wurde, mitsamt dem daran hängenden Rattenschwanz aus Betrug und Korruption (Subventionsbetrug durch Pseudolabore, dubiose „Maskendeals“ von Politikern etc.).
[4] Ob sich, wie etwa Fabio Vighi behauptet, in der Corona-Krise und im Ukraine-Krieg generell die Tendenz abzeichnet, dass es dem Kapitalismus im aktuellen Stadium der Krisenreife überhaupt nur noch durch reale oder inszenierte Katastrophenzustände möglich ist, seine Zombie-Existenz (vorerst) weiterzuführen, indem diese es ihm erlauben, die Krisenverwaltung qua Finanzblasen und einer Politik des billigen Geldes zu prolongieren, kann und soll an dieser Stelle nicht entschieden werden. Es erscheint vor dem Hintergrund der Ereignisse der vergangenen zweieinhalb Jahre zumindest nicht ganz unplausibel (siehe dazu meine Diskussion in Urban 2022b).
[5] Louis Pasteur (1822-1895), Mitbegründer der medizinischen Mikrobiologie, der „entscheidende Beiträge zur Vorbeugung gegen Infektionskrankheiten durch Impfung geleistet hat“ (Wikipedia). Er war u.a. einer der Begründer und Verfechter der sogenannten „Keimtheorie“. Diese geht davon aus, dass Krankheiten wesentlich durch Krankheitserreger verursacht werden und nicht etwa (auch) – wie es Pasteurs (wohl nicht zufällig deutlich weniger bekannter) Gegenspieler Antoine Béchamp behauptete – durch das Milieu, d.h. die Lebensumstände und den allgemeinen Gesundheitszustand des Wirts. Béchamp wird in diesem Zusammenhang der Satz zugeschrieben: „Die Mikrobe ist nichts, das Milieu ist alles.“ Nach Pasteur benannt ist auch die Pasteurisierung als Verfahren zur Haltbarmachung flüssiger Lebensmittel.
[6] Robert Koch (1843-1910), zusammen mit Pasteur „Begründer der modernen Bakteriologie und Mikrobiologie sowie der Immunologie und Allergologie“ (Wikipedia). 1882 soll Koch den Tuberkuloseerreger entdeckt haben. Auf Koch gehen u.a. die sogenannten Koch’schen Postulate zum Nachweis von Infektionskrankheiten zurück, wobei diese aber in Wahrheit wahrscheinlich nicht von Koch, sondern von einem seiner Mitarbeiter stammen (vgl. Reuther 2021, S. 93). Koch war auch auf dem Gebiet der Malariaforschung tätig. Dabei soll er in afrikanischen Kolonien Menschenversuche durchgeführt haben (vgl. „Der berühmte Forscher und die Menschenexperimente“, spiegel.de, 27.5.2020). Dass in Deutschland die oberste Gesundheitsbehörde den Namen Robert Kochs trägt, ist vor diesem Hintergrund nicht erst aufgrund der wenig ruhmreichen Rolle des RKI während der Corona-Krise ebenso bezeichnend wie vielsagend.
[7] Wobei es aber auch hier, rückblickend betrachtet, allerhand Ungereimtheiten und offene Fragen gibt (vgl. Langbein/Ehgartner 2003,
S. 346-357).
[9] Ioannidis verdeutlichte dies recht plastisch durch einen Vergleich mit einem Elefanten, der den Angriff einer Hauskatze dadurch abzuwehren versucht, dass er von einer Klippe springt – was leider den Tod des Elefanten zur Folge hat (vgl. „A top scientist questioned virus lockdowns on Fox News. The backlash was fierce“, washingtonpost.com, 16.12.2020).
[10] „Aktuell 22 Prozent der Corona-Spitalsfälle ‚wegen’ Covid im Krankenhaus”, derstandard.at (5.10.2022)
[11] „Rauch gegen neue Antiteuerungshilfen: ‚Wir beklagen uns auf hohem Niveau’”, derstandard.at (21.9.2022)
[13] „Klartext, der das Land auf der richtigen Spur hielt“, kleinezeitung.at (27.4.2020)
[14] Karl Lauterbach stellt überhaupt eine geradezu perfekte Personifikation des virulenten Corona-Wahns dar. Und dass eine Figur wie er es bis zum deutschen Gesundheitsminister bringen konnte, sagt allein in dieser Hinsicht viel über den (Geistes-)Zustand der Gesellschaft im Allgemeinen und Deutschlands im Besonderen aus. Spätestens seine kontraindizierte Selbstmedikation mit dem umstrittenen Corona-Medikament Paxlovid im August 2022 veranlasste kritische Kommentatoren nicht ganz zu Unrecht zu Spekulationen, der Gesundheits-minister leide offenkundig unter einer Corona-bezogenen Angstpsychose (vgl. „Lauterbachs Selbstmedikation – der Querdenker“, nachdenkseiten.de, 15.8.2022).
[15] Vgl. „Bratwurst, Joint oder Blind Date als Belohnung: Impfaktionen weltweit“, tt.com (6.8.2021)
Die diversen PR-Aktionen im Laufe der „Pandemie“, vor allem jene im Kontext der Impfung, waren generell von einer Qualität, die es zuweilen sehr erschwerte, wenn nicht verunmöglichte, mit Bestimmtheit zu entscheiden, ob man es mit ernst gemeinter PR oder mit Satire zu tun hat. Und immer, wenn man dachte, die Propaganda könnte kaum noch dämlichere und peinlichere Formen annehmen, wurde man bald eines Besseren belehrt. Die Art und Weise, wie etwa die Stadt Wien noch im Spätherbst 2022, trotz (oder vielmehr wegen) des bisherigen kläglichen Verlaufs der Impfkampagne, für eine zweite Booster-Impfung wirbt, ist im Grunde nicht mehr seriös kommentierbar:
https://www.instagram.com/p/ClTmtRyMAcH/?utm_source=ig_embed&utm_campaign=embed_video_watch_again*
Ähnliches ist übrigens über öffentliche Auftritte und Aktionen der „in ihrem einfältigen Pseudo-Positivismus weder von konventionell-wissenschaftlich ermittelten Evidenzen noch gar von grundsätzlicher Erkenntnis- und Wissenschaftskritik“ (Uhlschütz 2023) irritierbaren Follow-the-Science-Community zu konstatieren. Wer sich etwa den Auftritt von Mai Thi Nguyen-Kim, einer der bekanntesten „Fake News“- und „Schwurbler“-Jägerinnen Deutschlands und derzeit Gastprofessorin für – was sonst? – Wissenschaftskommunikation an der Universität Heidelberg, in ihrer eigenen ZDF-Wissenschaftsshow vom 30. Oktober 2022 ansieht, bekommt nicht nur eine gelungene Zusammenfassung des intellektuellen Niveaus jener postmodern verkommenen Version des Szientismus, das nicht unwesentlich zu den Ereignissen seit März 2020 beigetragen hat, sondern ist darüber hinaus fasziniert von dem sich offenbarenden Fehlen jeglicher Schamgrenzen wie auch jedes ästhetischen Missempfindens (https://www.zdf.de/show/mai-think-x-die-show/science-is-meins-100.html).
* Update 19.1.2023: Das verlinkte Video scheint von der Stadt Wien inzwischen offline genommen worden zu sein. Es ist aber anderenorts noch abrufbar, z.B. hier: https://www.corodok.de/du-denkst-stupider-als-bei-mwgrlp-geht-es-nicht
[16] In einem Bericht der Rockefeller Foundation und des Global Business Network (GBN) über ein Szenario namens Lock Step aus dem Jahr 2010, mit dem eine Influenza-Pandemie simuliert wurde, heißt es etwa: „At first, the notion of a more controlled world gained wide acceptance and approval. Citizens willingly gave up some of their sovereignty – and their privacy – to more paternalistic states in exchange for greater safety and stability. Citizens were more tolerant, and even eager, for top-down direction and oversight, and national leaders had more latitude to impose order in the ways they saw fit.“ (Rockefeller Foundation 2010, S. 19) Dabei finden bereits auch einige jener Maßnahmen und Strategien Erwähnung, die wir später im Rahmen der Corona-Krise quasi in Aktion erleben durften, z.B. biometrische IDs, wie sie vor allem in Gestalt des „Grünen Passes“ realisiert wurden.
[17] Siehe hierzu das Hearing des „Special Committee on COVID-19-Pandemic“ im EU-Parlament von 10. Oktober 2022 (multimedia.europarl.europa.eu). Relevant ist hier vor allem die entsprechende Anfrage des niederländischen Abgeordneten Rob Roos (ca. ab Min. 52) und die Antwort darauf von Janine Small von Pfizer (ca. ab Min. 61).
[18] So der Pfizer-CEO Albert Bourla in einem Interview im Februar 2021, der damit in dankenswerter Offenheit – und ungeachtet der Versuche einer „woken“ Linken, dergleichen als „Verschwörungstheorie“ von Rechtsextremen zu brandmarken – aussprach, wie die Pharmaindustrie die globale Massenimpfkampagne wahrnimmt, nämlich als Experiment („Pfizer CEO Albert Bourla calls Israel ‚world’s lab’ in interview to NBC“, jpost.com, 27.2.2021). Das ist übrigens derselbe Pfizer-CEO, der gerne mit einer schwarzen Maske mit der Aufschrift „Science will win“ herumläuft. Auch das eine eindrucksvolle Zurschaustellung postmoderner Hybris, die mehr von der Wahrheit kundtut, als Figuren wie Bourla selbst bewusst sein dürfte, weil sie transparent macht, wie sehr „Wissenschaftlichkeit“ mittlerweile zu einem reinen Marketing-Asset heruntergekommen ist. „Science will win“ ist letztlich auch die Essenz des nicht nur im Klimawandel-, sondern auch im Corona-Kontext ständig bemühten Slogans „Follow the Science!“ und sagt vor diesem Hintergrund nichts anderes aus als: „Pfizer will win“ – was sich im strengen Sinn der kapitalistischen Konkurrenz ja auch als zutreffend erwiesen hat.
[20] Robert Misik auf Twitter, https://twitter.com/misik/status/1553132639191764994
[21] „Impfgegner müssen fühlbare Nachteile haben“, thepioneer.de (7.12.2021). Die entsprechende Stelle findet sich etwa bei Min. 14:30.
[24] „Impfpflicht gegen Corona: Was spricht dafür, was dagegen?“ (3sat kulturzeit), youtube.com (26.1.2022)
[26] Mit Ausnahme vielleicht mancher, überwiegend junger Männer aus verschiedenen Ländern der westlichen Welt, von denen man speziell zu Beginn des Krieges immer wieder gehört hat, die sich freiwillig dem Kampf um die „westlichen Werte“ in der Ukraine und gegen Russland angeschlossen haben (z.B. „Freiwillige aus 55 Ländern kämpfen für Ukraine“, n-tv.de, 13.6.2022). Es kann nur gemutmaßt werden, wie viele von ihnen sich aus der bereits angesprochenen, postmodernen Parallelwelt des virtuellen Computer- und Gaming-Universums rekrutieren und inzwischen die bittere Erfahrung machen mussten, dass ein echter Krieg – zumal gegen einen militärisch mindestens ebenbürtigen, wenn nicht stärkeren Gegner wie Russland – nicht so abläuft wie in einem Computerspiel. Gelegentlich gab es Berichte über in den Krieg gezogene Europäer und Amerikaner, die die Ukraine völlig desillusioniert und „von der Härte des Einsatzes überrascht“ wieder verlassen haben („Großteil freiwilliger Kämpfer hat Ukraine wieder verlassen“, freitag.de, 23.3.2022).
[27] „Phantomschmerz tut weh – für die Russen ist das Imperium die einzige Form des Gemeinwesens, die sie kennen“, nzz.ch (3.1.2022)„Helmut Schmidt sagte voraus: Russland bleibt expansive Macht“, businessinsider.de (15.8.2022)
[28] „Van der Bellen: Die SPÖ betrachtet Wien als ihren Besitz“, nachgehakt.at (16.3.2015)
[29] „Van der Bellen in die Hofburg? ‚Da sind noch zwei, drei Dinge zu klären‘“, diepresse.com (19.9.2015)
[30] „Bundespräsident in Salzburg: ‚Putin führt einen imperialistisch geprägten Krieg‘“, kleinezeitung.at (26.7.2022)
[31] „Ist Wladimir Putin verrückt?“, t-online.de (9.3.2022)
„Ist Putin ein Psychopath? Psychiatrie-Professor fällt klares Urteil“, fr.de (9.8.2022)
[32] Wenn man einmal davon absieht, dass die USA in den vergangenen Jahrzehnten praktisch ausschließlich gegen zweit- und drittklassige Armeen aus Ländern der kapitalistischen Peripherie Krieg geführt haben – und selbst diese nicht gewonnen haben. Das beginnt mit dem Vietnamkrieg und endet mit dem Desaster in Afghanistan. Die US-Militärmacht dürfte also schon lange relativ überschätzt sein, sowohl was das Fremd-, als auch was das Selbstbild betrifft.
[33] Erinnert sei hier pars pro toto an das Hyperventilieren von Politik und Journaille, als Putin sich erdreistete, Gaslieferungen in Hinkunft nur noch in Rubel abrechnen zu wollen, nachdem die russischen Euro- und Dollar-Konten infolge der westlichen Sanktionen eingefroren worden waren. Was für jeden, der über ein rudimentäres Grundverständnis kapitalistischen Wirtschaftens verfügt, erwartbar war, da im Kapitalismus, wie es Putin ausdrückte, „niemand etwas umsonst macht“ und das Gasgeschäft „keine Wohltätigkeitsarbeit“ sei, trieb den Akteuren im Westen die Zornesröte ins Gesicht und wurde als hinterhältige und gemeine „Erpressung“ aufgefasst (z.B. „Linder: Politische Erpressung durch Putin nicht akzeptabel“, berlinertageszeitung.de, 31.3.2022; „Putins Rubel-Erpressung: Hält Scholz dem Gas-Druck stand?“, bild.de, 27.4.2022). Als Reaktion auf diese „Erpressung“ wie auch die Tatsache, dass die Einnahmen Russlands aus dem Energiegeschäft aufgrund der vor allem infolge der westlichen Sanktionspolitik explodierenden Öl- und Gaspreise nur so sprudeln, diskutiert die EU seit Monaten über die Deckelung von Öl- und Gaspreisen (z.B. „EU-Kommission: Preisdeckel auf russisches Gas“, zdf.de, 7.9.2022) – eine Maßnahme, die insbesondere Europa sehr schaden würde, gerade dort aber auch ihre fanatischsten Anhänger findet. Das trotzige Kind – um im Bild zu bleiben – hält quasi die Luft an, um die bösen Eltern unter Druck zu setzen, ggf. so lange, bis es in Ohnmacht fällt; nur dass in diesem Fall die Erwachsenen sich herzlich wenig darum scheren, ob dem kleinen Trotzkopf die Luft ausgeht oder nicht.
[34] „Adressing Putin‘s nuclear threat: Thinking like the Cold War KGB officer that he was“, justsecurity.org (18.10.2022)
[35] „Ukraine-Krieg: Warum Putin glaubt, den Westen erpressen zu können“, derstandard.at (8.10.2022)
[36] „Liz Truss says she would use nuclear warfare“, politics.co.uk (24.8.2022)
[37] „Biden warns risk of nuclear ‚Armageddon‘ is highest since Cuban Missile Crisis“, nbcnews.com (7.10.2022)
„Biden’s ‚Armageddon‘ nuclear warning builds on increasing worries about a desperate Putin“, news.yahoo.com (13.10.2022)
[38] Zum Zeitpunkt, da diese Zeilen verfasst werden, sind westliche Medien gerade dabei, den Einschlag einer ukrainischen Luftabwehrrakete in Polen als russischen Angriff darzustellen, was einen NATO-Bündnisfall und damit eine weitere Eskalation des Krieges provozieren könnte (z.B. „Sicherheitsrat einberufen: Russische Raketen offenbar in polnisches Dorf eingeschlagen“, rtl.de, 16.11.2022; „Ob dieses Ereignis zu Eskalation führt, hängt von der Reaktion Russlands ab“, focus.de, 15.11.2022). Man kann sich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, dass manche Milieus, insbesondere Medienschaffende, die Eskalation zu einem offenen Krieg des Westens gegen Russland mit all seinen abzusehenden verheerenden Folgen geradezu herbeisehnen. Und je mehr sich der Verdacht aufdrängt, der Zwischenfall in Polen könnte womöglich gar kein Unfall, sondern der ukrainische Versuch einer False-Flag-Aktion gewesen sein, um Russland einen Angriff auf Polen in die Schuhe zu schieben, wird genau das über den Feind behauptet und davor gewarnt, Russland könnte einen Angriff auf das eigene Land inszenieren, um anschließend die Ukraine zu beschuldigen („Putin plant offenbar ‚False-Flag‘-Angriff auf das eigene Land“, oe24.at, 23.11.2022). Auch hier ist der projektive Charakter der medialen Debatte geradezu mit Händen zu greifen.
[39] „Biden’s ‚Armageddon‘ warning wasn’t based on new intelligence, US says“, theguardian.com (7.10.2022)
[40] Aus der über den gesamten Zeitraum des Ukraine-Krieges beliebig lange fortzuführenden Liste ähnlich lautender Medienberichte seien hier exemplarisch nur zwei aus den ersten beiden Kriegsmonaten zitiert:
„Russia running short on guided missiles, firing indiscriminately – Ukraine“, jpost.com (17.3.2022)
„Russia running short of precision missiles, say western officials“, ft.com (29.4.2022)
[41] „Sanctions forcing Russia to use appliance parts in military gear, U.S. says“, washingtonpost.com(11.5.2022)
[43] Dieses Missverhältnis wird vielleicht am schönsten abgebildet in den globalen Rüstungsausgaben (https://en.wikipedia.org/wiki/File:
Global_Military_Spending.webp).
[44] „HIMARS ‚game changer‘ in Ukraine war, Russia ‚in dire shape‘: Ex-General“, newsweek.com (23.7.2022)
„Russen fürchten Himars-Raketenwerfer: Werden sie zum Gamechanger im Krieg gegen Russland?“, rnd.de (13.7.2022)
[45] „HIMARS rockets have been a ‚game changer‘ in Ukraine, and the US Army is now looking for ways to build up to 500 more“, businessinsider.com (13.9.2022)
„‚Game Changer‘ in der Ukraine: US-Konzern fährt HIMARS-Produktion hoch“, n-tv.de (21.10.2022)
[46] „The return of industrial warfare“, rusi.org (17.6.2022)
„The US has given Ukraine nearly 1 million 155 mm artillery shells. Now it’s looking for US companies to build more of them“, businessinsider.com (14.9.2022)
„US is running low on some weapons and ammunition to transfer to Ukraine“, edition.cnn.com (17.11.2022)
[47] Laut Lockheed Martin kostet eine einzige GMLRS-Rakete, mit denen das HIMARS-System bestückt wird, rund 100.000 US-Dollar („Who makes HIMARS and how much do missile launchers cost?“, newsweek.com, 17.10.2022).
[48] „The United States contributes $1.7 billion to support the government of Ukraine“, ua.embassy.gov (12.7.2022)
[50] „Ukrainian refugees told not to come home because there’s not enough electricity“, news.sky.com (26.10.2022)